Kirche oder Christsein und SM?

Als der Arbeitskreis SM und Christsein gegründet wurde, kam die Frage auf, warum es diesen Arbeitskreis geben muss. Sind wir nicht alle (irgendwie) Christen? Sieht man sich das Internet-Forum des Arbeitskreises an, scheinen viele Fragen darauf hinaus zu laufen, ob ein Christ dieses oder jenes überhaupt aus- oder erleben darf. Und obwohl Glaube und Christsein eine so persönliche und subjektiv erlebbare Sache ist, wie sonst vielleicht nur die Erotik, laden wir uns einen Pfarrer ein, als könnte er uns sagen, was erlaubt ist, und was nicht. Dabei sind "Kirche" und "Christsein" doch zwei Schuhe - aber bilden die auch immer ein Paar? Und was macht für diejenigen, für die alle irgendwie Christen sind, "Christsein" eigentlich aus? Was will ein SMer von der Kirche - und was könnte die Kirche von SMern wollen? Ernst-Michael Wahl, von der ev. Kirchengemeinde Rommelshausen (http://www.ev-kirche-rommelshausen.de/) war vor fast drei Jahren bereits bei uns zu Gast und hat sich bereit erklärt, zu den Fragen, die im März gesammelt wurden, mit uns ins Gespräch zu kommen.

Rückschau

7 TeilnehmerInnen des Gesprächskreises SundMehr trafen sich am 26.05.06 im TV-Heim in Kernen Stetten um sich mit Ernst-Michael Wahl, Pfarrer in der ev. Kirchengemeinde Rommelshausen (http://www.ev-kirche-rommelshausen.de/), über einige beim vorletzten Treffen gesammelte Fragen zu unterhalten. Die Auseinandersetzung mit SM und seinen ersten Besuch vor drei Jahren, empfand er für sich persönlich als bereichernd, meinte der Gast gleich zum Einstieg und erläuterte, welche Entwicklungen zu mehr Offenheit, gegenüber sexuell anders empfindenden Menschen, es in der Kirche gibt, und belegte dies mit der inzwischen verbesserten Stellung Homosexueller in der Württembergischen Landeskirche (WüLK). Insgesamt sei dies als Prozess zu betrachten, der sich naturgemäß noch im Fluss befindet. Offizielle Segnungen Homosexueller Partnerschaften seien in der WüLK derzeit noch nicht möglich. Der Umgang mit der Frage ist nach Kirchenrecht in den seelsorgerischen Bereich gewiesen.. An der Frage, wie Hr. Wahl hier als Mensch und Christ mit dem Widerspruch zwischen seiner eigenen toleranten Haltung und dem Kirchenrecht umginge, entzündete sich eine Diskussion über Kirche als Institution. Letztendlich ist ein Pfarrer Angestellter seines Dienstherrn und Konflikte mit dem Dienstrecht gibt es bei jedem Arbeitgeber, wurde seitens des Pfarrers festgestellt. Dass es Diskrepanzen zwischen der eigenen Meinung und der Haltung der Institution, in der sich ein Mensch befindet, sind jedoch auch nichts spezifisch kirchlich-christliches und dürften in jeder Organisation zu finden sein. Besonders schmerzhaft dürften diese allerdings nicht nur für Pfarrer, sondern auch Christen (bzw. Kirchgänger) werden, wo Anspruch des Einzelnen und der jeweiligen Institution sich auf sehr hohe, allgemeingültige, beim Thema Kirche sogar: göttliche Werte berufen. Auf SM bezogen wurde klar, dass ja bezüglich der Akzeptanz sich auch die weltlichen Fachleute im Bereich der Medizin und Psychologie wiedersprechen. Wer selbst keine eigene sadomasochistische Neigung hat, muss sich seine Information entweder von selbst Betroffenen besorgen, oder eben bei Fachleuten, wobei auch die nähere Auseinandersetzung offen lässt, wie die endgültige Meinungsbildung ausfällt. Bezogen auf die Kirche sprach dieser Punkt wieder für Öffentlichkeitsarbeit durch persönlichen Kontakt, wie sie der Arbeitskreis SM und Christsein (http://www.sm-und-christsein.de/) mit seinem Stand auf dem Kirchentag 05 (für den ev. Kirchentag 07 in Köln bereits in Planung) bereits geleistet hat. Von der Diskussion über die Institution Kirche kam das Gespräch dann weiter auf persönlichere Fragen des Glaubens im Kontext zu SM. Im Gespräch wurde festgehalten, dass Christsein eben nicht einfach nur aus einem „besseren“ Menschsein besteht – da auch er selbst, als Christ, nicht besser ist, als andere, erklärte der Pfarrer. Christen sehen ihr Leben in einem anderen Kontext, fühlen sich nicht nur sich und ihrem Nächsten gegenüber verantwortlich, sondern auch Gott gegenüber. Sehr wohl sind aber christliche Tugenden (Vergebung, Nächstenliebe usw....) gerade aus diesem Kontext gespeist, selbst wenn sie sich auch aus dem Humanismus begründen lassen, der selbst jedoch auch im Christentum verwurzelt ist. Ob Sessions bei Christen anders aussehen oder nicht, konnte nicht geklärt werden, weil der. Gast mangels eigenem Bezug zu SM ohnehin auf die Schilderungen der Gesprächskreisteilnehmer angewiesen war, die selbst weder als Christen, noch als bekennende Agnostiker beschreiben konnten, was hierbei den Unterschied darstellen könnte. Allerdings wurden Befangenheiten bezüglich christlicher Symbolik diskutiert, wie sie bei Kreuzigungsfantasien, oder bei eher katholisch geprägten Hintergründen in Form von Anklängen an Heiligenlegenden oder klerikalem Erscheinungsbild (Hl.Sebastian, Nonne und Hure) auftreten. Während die Suche nach Nähe zu Gott im Leiden bereits im Mittelalter z.b. bei den Selbstgeisselungen von Flagellanten zu finden ist, oder freiwillige Kreuzigungen von sektiererischen christlichen Fanatikern auch heute noch auftreten, ist bei entsprechenden Fantasien im SM-Kontext das Auftreten erotischer Gefühle das, was bei gläubigen Menschen zu Gewissensbissen führen kann. Abgesehen von Sicherheitsaspekten (eine reale römische Kreuzigung führt zum Tod und wäre auch in Verbindung mit erotischen Gefühlen wohl kaum noch unter „Sane“ zu fassen) meinte der Pfarrer, käme es hier immer auf die hintergründige Motivation an. Im Rahmen einer Inszenierung Jesus zu spielen, gibt es auch in Form von Methoden, wie z.B. beim dem Psychodrama verwandten Bibliodrama, stellte eine Teilnehmerin anhand eines selbst erlebten Beispiels fest. Ein anderer Teilnehmer stellte fest, dass es letztendlich eine Instanz der Person gibt, die bei aller Hingabe nie ganz einem anderen Menschen auszuliefern ist, und die sei immer der Kern, mit dem der Mensch allein Gott begegnen kann. Blasphemie liegt nur dann vor, wenn Gott letztendlich lächerlich gemacht werden soll, wurde festgestellt, wobei sich bei manchen, angeblich blasphemischen SM-Darstellungen die Frage aufwerfen lässt, ob weniger Gott, als vielmehr ein besonders starres religiöses Umfeld provoziert oder lächerlich gemacht werden soll. Die Frage, ob verletzende Erfahrungen mit religiösen Institutionen auf diese Weise aufgearbeitet werden sollen, oder ob sich bei manchem einfach ein religiöses Bild, dass er einmal irgendwo gesehen hat, in eine Inszenierung eingebaut wird, lässt sich vollends nur noch mit Hilfe psychotherapeutischer Techniken klären. Solche und weitere Fragen von Grenzbereichen, die selbst in der Szene heiß diskutiert werden und teils psychologische Themen tangierten, konnte uns selbstverständlich auch dieser Gast nicht mit einem einfachen „richtig“ oder „falsch“ erläutern, sodass letztendlich die Frage nach dem eigenen Gewissen der entscheidende Maßstab blieb. Trotz der geringen Teilnehmerzahl ergaben sich mehrere, teils hitzig geführte Diskussionen, sodass die letzten Teilnehmer erst gegen 01:00 Uhr das Lokal verließen um sich auf den Heimweg zu machen.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 26.05.2006
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort: TV-Heim, Am Sportplatz 4, 71394 Kernen-Stetten
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Erste Ausfahrt (Weinstadt/Endersbach) auf der B29 nach dem Teiler B14/B29 in Richtung Schorndorf, bzw. vorletzte vor der Zusammenführung B14/B29 in Richtung Stuttgart. Dann weiter Richtung Stetten / Esslingen halten.

Anfahrt von Esslingen:
Über Wäldenbronn Richtung Kernen-Stetten. Den Wegweisern „Diakonie Stetten“ und Sportplatz folgen. Haupteingang Diakonie und TV-Heim sind nicht weit voneinander entfernt. Parkplätze gibt es auch genug.