SM und Polizei

Um den Umgang von uns Freunden erotisch inszenierter Gewalt mit Vertretern der Staatsgewalt geht es bei diesem Treffen. Zu Gast kommt ein Polizist vom Haus der Prävention in Waiblingen.
Die Polizei soll auch uns Sadomasochisten als Freund und Helfer zur Seite stehen. Doch wie stehen wir dazu? Immer wieder scheinen Ängste und Skrupel durchzuschimmern, wenn es rund um das Ausleben unserer Neigungen zum Kontakt mit den Ordnungshütern kommt.
Da ist die Angst, dass irgendwie verboten sein könnte, was wir lieben, oder dass man irgendwo als Unzüchtiger gespeichert wird genauso präsent, wie beim Kontakt mit Ärzten, wenn mancher SMer wähnt, er würde verlässlich als Psychiatrischer Fall in einem Archiv der Krankenkassen abgelegt. Dabei können auch wir froh sein, dass es Schutz gibt, wenn es zu Häuslicher Gewalt kommt – und wer garantiert uns, dass ausgeschlossen ist, dass jemand sich den Anschein verleiht, es handle sich um SM, während er in der Tat nicht einvernehmliches Tun im Sinn hat? Doch wie kann ein zu Hilfe gerufener Polizist unterscheiden, was vorliegt? Und wie reagieren wir richtig, wenn ein – eigentlich fürsorglicher – Nachbar aufgrund „verdächtiger Geräusche“ den Notruf wählt? Erfahren Polizisten in ihrer Ausbildung überhaupt etwas über SM? Und was können wir über juristische Grenzen lernen, die auch für jede andere Spielart legaler Sexualität gilt?
Auf Wunsch einiger Teilnehmer haben wir erneut die örtliche Polizeidirektion angefragt, ob man bereit wäre, zu dieser Thematik zu Besuch in den Gesprächskreis zu kommen und sind auf offene Ohren gestoßen – auch wenn das Thema sicher ungewohnt ist, weil man bisher eher Elternabende zum Thema Verkehrserziehung oder Drogenberatung gewohnt war. So freuen wir uns über die Bereitschaft eines Kriminalhauptkommissars zum Zweiten Mal zur gegenseitigen Aufklärung, bei zu tragen, damit beim Umgang mit den Beamten, die ihren Job tun, gar nicht erst ein mulmiges Gefühl aufkommen muss.

Rückschau

Um sich mit damit auseinander zu setzen, wie sich das unverhoffte Zusammentreffen von Vertreter der Staatsgewalt mit Liebhabern inszenierter Gewalt gestaltet, trafen sich 16 Teilnehmer des Gesprächskreises SundMehr am 26.09.14, um mit einem Kriminalbeamten des Hauses der Prävention in Waiblingen (http://www.haus-der-praevention.de/) ins Gespräch zu kommen. Bereits zum zweiten Mal war dieser der Einladung gefolgt und diesmal mit einer Praktikantin aus dem Bereich der Sozialwissenschaften erschienen. Die Ausbildungsinhalte bei der Polizei hätten sich gewandelt, erläuterte der Polizist eingangs. Inzwischen stehe nicht nur die Funktion des Ordnungshüters im Mittelpunkt. Auch Kenntnisse für das Konfliktmanagement und des Opferschutzes hätten an Bedeutung gewonnen, was auch Grundlage für die Einrichtung seiner Stelle im Bereich der Prävention gewesen sei.
Wenn auch die Anfrage des SM-Gesprächskreises nicht alltäglich sei, werde diese ganz normal behandelt, wie auch von Schulen zu Themen wie Verkehr oder Drogen, oder von Kleingärtnervereinen und Frauenkreisen, wenn es um häusliche Gewalt oder Einbruch ginge.
Wie auch bei seinem ersten Besuch vor drei Jahren hatte der Polizist nach der Anfrage eine spontane Email-Rundfrage bei seinen Kollegen gestartet, inwiefern Sadomasochismus schon einmal Gegenstand eines Einsatzes gewesen sei. War damals bereits nach 10 Sekunden die erste Antwort eingetroffen, erhielt er diesmal gar keine Antwort. Und auch das damalige Ergebnis bestand nur aus einem Vorkommnis, bei dem ein Paar die Polizei gerufen hatte, weil der Schlüssel für die Handschellen verloren gegangen war - sodass die Beamten als Freund und Helfer mit ihrem Schlüssel aus der misslichen Situation helfen konnten, erläuterte der Beamte, was verständnisvolle Heiterkeit unter den Zuhörern auslöste. Solcherlei Vorkommnisse führten aber lediglich zu einer Aktennotiz, weil kein Tatbestand vorliege, der zu weiteren Konsequenzen führte. Das geringe Ergebnis seiner spontan-Umfrage sei allerdings dahingehend interessant, dass durch eine Umstrukturierung der hiesigen Polizeidirektion sein Zuständigkeitsbereich - und damit das Einzugsgebiet der Umfrage - inzwischen auf das dreifache angestiegen sei.
Per Beamer präsentierte der Gast einige Zeitungsmeldungen und Pressemitteilungen und erläuterte daran, wo die Polizei im Konfliktfall zivilrechtliche Ansprüche umsetzen müsste (wenn der Eigner des Torture-Ships keine Partys mehr veranstalten will) und wo es um den Anfangsverdacht einer Straftat geht (wenn verdächtige Gegenstände aufgefunden werden, die sich später als SM-Equipment entpuppen - womit sich der Verdacht dann erledigt).
Unter besonderer Beobachtung der Polizei stehen insgesamt "verdächtige" Orte, wie z.B. Spielplätze, auf denen gehäuft Spritzen oder anderes Zubehör von Drogenkonsumenten aufgefunden wird. Primär zählen Locations, in denen SM-Partys veranstaltet werden, nicht zu solchen verdächtigen Orten, erläuterte der Kriminalhauptkommissar, wobei ein Teilnehmer zu berichten wusste, wie aufgrund der für Außenstehenden verdächtigen Geräusche eine Polizeistreife gerufen wurde, als eine größere Party stattfand. Die Beamten wurden dann begeistert begrüßt, in dem ihr Outfit, wie Uniform und Handschellen gelobt wurden. Einige Teilnehmer wiesen dann im Gespräch darauf hin, dass die Polizei oft instrumentalisiert würde, um gesellschaftlich Vorurteile, unter dem Deckmantel der Ordnung umzusetzen. Zum Beispiel, indem einem Veranstalter eine Konzession verweigert wird, für den Ausschank von Getränken, weshalb der der Veranstaltung einen privaten Rahmen verleiht und zum Selbstkostenpreis verpflegt. Taucht hier eine Lücke im Dickicht der Verwaltungsvorschriften auf, die negativ gesinnten Nachbarn oder dem Ordnungsamt einen Vorwand bietet, die Veranstaltung verbieten zu lassen, wird die Polizei gerufen, um die Situation zu "klären", wobei es egal ist, welche Haltung der Beamten haben, denn hier muss die Polizei einfach ihrer Funktion gerecht werden, den Rechtsstaat und die Ordnung umzusetzen (wie beim "Schutz" von Demonstrationen gegen Großprojekte wie Stuttgart 21 oder bei Atommülltransporten).
Im praktischen Fall wird hier oft gegenseitig mit "der Polizei gedroht", wobei diese ja gar keine Urteile spricht. Ein Teilnehmer berichtete dass seine Kinder einen Nachbarn fotografierten, der auch vom Nachbargrundstück gut sichtbar in seiner Wohnung ein Ganzkörper-Sonnenbad nahm und teilweise auch sexuelle Kontakte pflegte. Vom eigenen Grundstück aus, hatte sein Nachwuchs sogar das Zoom-Objektiv eingesetzt, worauf der Nachbar vorstellig wurde und die Bilder einforderte. Der springende Punkt sei hierbei immer jeweils gegenseitig das Ausstrahlen des eigenen Verhaltens in die Öffentlichkeit. In seinen vier Wänden könne sich jeder so verhalten, wie er wolle; sei es Nacktbaden oder Fotografieren. Relevant wäre hier, ob eine Absicht hinzukäme, wie der Einsatz eines Zoom-Objektives, um einen Bildbereich hervor zu heben, der mit bloßem Auge im halb Verborgenen bliebe oder der Provokation von Aufmerksamkeit für die eigene Geschlechtlichkeit - zudem: vor Kindern, was sogar einen Straftatbestand darstellen könnte. Ähnlich sei es, wenn eine "Sklavin" an der Leine auf der Straße entlang geführt werde. Während dies allgemein "Erregung öffentlichen Ärgernisses" darstellen könne, wäre hierbei auch relevant (und ggfs. von hinzu gerufenen Polizisten zu untersuchen), ob dies in einem Umfeld geschah, wo der verärgerte Bürger damit rechnen musste - beim CSD oder Karneval erscheine dies anders. Wenn z.B. der Sub, halb verschämt mit unter der Jacke versteckten gefesselten Händen in einer unbelebten Seitenstraße entlang geführt wird, sei eine Absicht, Ärgernis zu erwecken, ja nicht anzunehmen. Letztlich stelle dies auch nicht das "vortäuschen einer Straftat" dar und auch nicht das vorsätzliche unnötige auslösen eines Polizeieinsatzes, die im Zweifelsfall ja von andere gerufen worden seien, weshalb es unwahrscheinlich sei, dass die Kosten für die Anfahrt dem betreffenden in Rechnung gestellt würden.

Aus dem Kreis der Teilnehmer kam noch die Anfrage, wie die Situation einzuschätzen sei, wenn nach einer Session der passive Teilnehmer sich entscheidet den Aktiven anzuzeigen, obwohl während der Session Einvernehmlichkeit voraus zu setzen war. Das Wesen von "Freiwilligkeit" sei, so eine andere Teilnehmerin, dass diese sich auch jederzeit ändern könne, was zeige, wie wichtig ein guter Kontakt und eine gute Kommunikation zwischen den Beteiligten auch während der Session ist. Klar, könne eine schriftliche Einverständniserklärung - so der Polizist - im Konfliktfall nochmal für eine ganz andere Sicherheit sorgen, weil sie ein größeres Gewicht habe. Aus der Runde wurde an den "Fall Kachelmann" erinnert, der manchen Sadomasochist einen Kontext zu SMigen Spielen ahnen ließ. Doch Schlammschlachten werden letztlich vor Gericht ausgetragen. Die Polizei habe, im Fall des Anfangsverdachtes von häuslicher Gewalt, das Ziel, herauszubekommen, wer das Opfer sei. Dazu würden die Beteiligten nach Möglichkeit auch getrennt befragt - denn Dilemma sei ja, dass gerade auch bei real vorhandener häuslicher Gewalt die Opfer später sogar selbst verharmlosen und in ihren destruktiven Beziehungen verharren. Gegen Ende wurden noch Rückfragen gestellt, welche Gegenstände als Waffen gelten, deren Mitführen an der Öffentlichkeit verboten sei. Hier verwies der Gast darauf, dass eine "Waffe" ein Gegenstand sei, der bestimmungsgemäß als Waffe hergestellt worden sei. Gerüchte, dass ein Rohrstock über 80 cm als Waffe gelte, seien daher hinfällig, wobei es auch Abstufungen gäbe, nach dem Waffengesetz, das sich auch von Zeit zu Zeit verändere (Informationsmaterial kann darüber vom Haus der Prävention bezogen werden, und wurde auch schon beim ersten Besuch verteilt).
Auf die Bitte, welche generellen Tipps er für die Teilnehmer habe, falls es überraschend im Zuge einer Session zum Kontakt mit der Polizei käme, empfahl er möglichst umfassend und offen zu kommunizieren, um was es sich handle, ohne aus falscher Scham zu verheimlichen oder zu verhehlen dass es sich um BDSM Praktiken gehandelt habe. Den Anfangsverdacht häuslicher Gewalt, kann auch ein "szenetypisches Ambiente" plausibel ausräumen, wie schon beim letzten Besuch (http://www.sundmehr.de/Termine/20110826.htm) erläutert worden war.
Mit herzlichem Dank wurde der Gast von der Runde verabschiedet, wobei er auch zusagte, bei erneutem Interesse oder Bedarf, gerne in drei Jahren erneut vorbeizukommen.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 26.09.2014
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de