Wie lebe ich meinen Sadismus?

Gemeinhin wird als Sadismus der Drang beschrieben, sein Gegenüber physisch oder psychisch zu quälen, also zu demütigen oder Schmerzen zu zufügen und sich an der Reaktion zu erfreuen. Laut Wikipedia sieht Erich Fromm sogar in der nicht sexuellen Form des Sadismus den Wunsch, sein Gegenüber kennen zu lernen http://de.wikipedia.org/wiki/Sadismus#Nicht_vorwiegend_sexuell_motivierter_Sadismus.
Zunächst kann das unabhängig vom Einverständnis des Gegenübers betrachtet werden, aufgrund des SSC-Ehrencodex der SM-Szene ist die aber unbedingter Bestandteil, von SM, damit das Geschehen als erotische Begegnung - und eben nicht als destruktiver Missbrauch betrachtet werden kann.
Dominante, aktive SMer stehen darum vor dem Spagat, ihren Wünschen zu folgen und dennoch das Gegenüber im Blick zu haben. Auch unter Ausschluss gesundheitlicher Gefahren kann man noch gehörig weiter quälen und auch die erotische Lust auf Seiten des Gegenübers vertreiben.
Wer Lust dabei hat, den anderen ganz in seiner Hand zu haben - hat er das, wenn er stets die Grenzen wahrt? Kann man aber seinen Sadismus leben, ohne sich nur als Dienstleister zu empfinden? Welchen Stellenwert hat die Reaktion des Gegenübers - sind eher Tränen auf Seiten des Subs erwünscht oder müssen sie lieber vermieden werden? Macht es eher Spaß, etwas weiter zu gehen, als der Partner es noch als Angenehm empfindet, oder muss man die Sehnsüchte möglichst genau kennen, um alles so zu machen, wie es gefällt?
Vielleicht werden die aktiven sogar von allumfassenden Hingabewünschen des devoten Partners angeheizt. Was wenn diese sich für ihn dann gar nicht so toll anfühlen, wie in der Phantasie?
Wir haben schon oft darüber diskutiert, ob Liebe und SM sich ausschließt. Grenzt sie nicht unbedingt den eigenen Sadismus ein? Ist das noch Sadismus oder kann es gar keiner sein, bei so vielen Regeln, die einem verbieten, weiter zu quälen, als es auch unter Ausschluss gesundheitlichen Gefahren noch geht? Und wie ist das für die "passiven" oder "Subs", wenn das Gegenüber sich wirklich nur an sich (und an SSC) orientiert, statt noch am Wohlbefinden? Gerade um das Thema ausführlich zu behandeln, sollten wir beachten, dass die Diskussion nicht einfach auf die Gegenfrage im Sinne von "Wie wollen die Subs es denn" kippt. Besucher von der eher "passiven" Seite werden - nicht zwecks Erotisierung, sondern aus Gründen der Gesprächsführung - gebeten, sich eher auf Zwischenfragen zu begrenzen. Sicher ergibt sich im nicht moderierten Teil des Abends noch genügend Zeit, das Thema von anderer Seite zu beleuchten. Gegebenenfalls wäre die umgekehrte Sicht auch Thema eines ganz eigenen Abends.

Rückschau

26 Besucher des Gesprächskreises SundMehr trafen sich, während auch andere gesellschaftliche Randgruppen sich trafen, um Halloween oder den Reformationstag zu begehen, zur Fragestellung „Wie lebe ich meinen Sadismus“? Besonders erfreulich war das Erscheinen einiger Erst-, oder lange nicht mehr gesehener Besucher; darunter unsere ausgewanderten Teilnehmer, deren Anreiseweg von etwa 10000 km wohl so schnell von niemandem getoppt werden wird.
Kurz nach der Vorstellungsrunde wurde die wegweisende Frage zur heutigen Gesprächsführung gestellt, warum Besucher, die sich der passiven Seite sadomasochistischer Ausdrucksweisen näher fühlen, aufgefordert waren, den aktiven oder dominanten das Wort zu überlassen – ist die Stellungnahme der Submissiven oder Masochisten gerade bei diesem Thema so wichtig, dass ohne diese jede Diskussion eigentlich sinnlos theoretisch ist? Schließlich könne man sonst ja seine Neigung auch an einer Wand oder einem Sandsack ausleben… Weil die Fragestellung jedoch subjektiv auf die Erfahrung mit dem eigenen Sadismus gerichtet war, wurde zunächst darum gebeten, dies im Fokus zu behalten, wobei klar gestellt wurde, dass niemandem der Mund verboten wird. Zum Einstieg berichtete dann eine Teilnehmerin, dass sie sich als sadistisch sich selbst gegenüber empfand, als sie ihre Neigungen – per telefonischer Fernbeziehung – entdeckte. Wichtig war es vielen, zunächst zu definieren, was jeder unter Sadismus versteht. Für Einige ist dies die Lust, jemandem Schmerz zu zufügen, andere präzisierten, dass es dabei nicht der Sadismus an sich, sondern vor allem die Reaktion des Gegenübers sei, worauf es ankäme. Ein Anwesender beschrieb sich darum als aktiven Sadomasochisten: er benötige stets das Feedback. Sadismus sei für ihn das absolute Ausleben der eigenen dominanten Ader, meinte ein Anderer – was für ihn auch grundsätzlich Formen einschließe, die er selbst gar nicht ausleben wolle. Deshalb könne es für ihn nur soweit gehen, wie es seiner Partnerin noch Spaß mache.
Dies stelle ja die besonderen Anforderungen an die Fähigkeiten eines aktiven im BDSM-Bereich dar, wurde ergänzt: die Grenze zu erkennen, wo Qual nicht mehr in Lust verwandelt werden kann. Die Frage stellte sich, wo denn diese Grenze zu verorten sei. Dass Sadismus sich nicht an der Intensität festmachen lässt, wurde mit dem Beispiel beschrieben, dass beides Autofahren sei: ob im Fiat 500 mit 50 km/h auf der Landstraße oder im Porsche mit 200 km/h auf der Autobahn.
Ob man sich in sein „Opfer“ einfühle mache den Unterschied von erotischem, einvernehmlichem Sadismus zu rein kriminellem Tun aus, wurde eine weitere Präzisierung versucht. Einfühlung hielte einen „richtigen“ Sadisten von seinem Tun nicht ab. Das Gros der Anwesenden wollte diese Unterteilung in echten und gespielten Sadismus nicht hinnehmen, denn wenn dieser erst richtig sei, wenn es kriminell würde, wären 99% der in der SM-Szene und auf Stammtischen, sich als solche bezeichnenden Sadisten im Wirklichkeit eben keine! Die Frage, ob es für diese denn schlimm sei, kein Sadist zu sein, entfiel. Dagegen wurde abermals ergänzt, dem Sadisten ginge es um seine eigene Lust. Ihr ginge es darum, bei ihrem Gegenüber starke Gefühle, denen es nicht ausweichen kann, zu wecken und zu sehen, fügte eine Teilnehmerin hinzu. Dies könne auch bedeuten, dass der andere dabei keine Lust empfindet.
Wichtig sei es dabei, ergänzte eine andere, sich einzugestehen, dass man Lust am Quälen hat. Schwierigkeiten ergäben sich da, wo das Gegenüber, auch unter Beschwörung der Einvernehmlichkeit auf der Meta-Ebene, das Tun nicht in masochistischer Weise genießen kann, wie es der aktive Part sadistisch lustvoll findet. Die Klärung, warum die Lust des Passiven wichtig ist, obwohl doch allein die der Aktiven zählt, schien schwierig. Dass es auch darum ging, den Gequälten in seiner Qual zu erleben, zu sehen, dass er kämpft, wäre dabei ein wesentlicher Punkt, aber auch so, dass er es noch als lustvoll erlebt, seien einfach verschiedene Facetten.
Hier stellte sich in der Diskussion die Frage, ob es für dominante SMer nun sinnvoller sei, sich jemanden zu suchen, der viel oder wenig Qual „aushält“. Eine gewisse Heftigkeit ist für die eigene Lust notwendig, berichtete einer. Müsse er sich dauernd zügeln, habe er das Gefühl, mit angezogener Handbremse unterwegs zu sein. Allerdings sei es auch frustrierend für den Aktiven, wenn er aufgrund einer subjektiv hohen Schmerzgrenze „jemanden nicht schafft“, selbst schon geschafft ist und der passive immer noch mehr will ergänzte jemand anderes. Beispiele von „Sklaven“, wurden aus der Runde zitiert, die so „trainiert“ worden waren, dass sie keine Regung zeigten, wenn andere, als ihre jeweiligen „Herren“ sich mit ihnen schmerzvoll beschäftigten. Allerdings auch von Subs, die durch Schmerzen schnell in einen Trance-Zustand gerieten, der ihnen nicht ermöglichte, die Situation abzubrechen. Die Verantwortung, zu sehen wann etwas zu viel sei und mit Rücksicht auf die psychische und physische Gesundheit unbedingt beendet werden sollte, bliebe hierbei aber vor allem beim aktiven, dominanten Mitspieler.
Dennoch, stellte eine Anwesende fest, eine leichte Grenzüberschreitung müsse für sie sein. Dabei könnten von beiden verschiedene Aspekte genossen werden: das Machtgefälle, die Aktion, bzw. das Spiel mit den körperlichen oder psychischen Schmerzen, oder die körperliche Lage. Ausdrücklich schließt dies ein, dass eine Situation sich für den Passiven nicht gut anfühlt, er sie jedoch aushält, um das Machtgefälle (seine Devotheit) zu genießen. Wenn vom Passiven keine Signale eines dieser genussvollen Aspekte mehr für den Aktiven wahrnehmbar sind, sei die Grenze erreicht, an der das Spiel ein Ende finden muss. Letztlich ginge es doch darum, sich gegenseitig was Gutes zu tun, erklärte ein Anwesender. Unangenehm seien dabei reine Techniker innerhalb der SM-Szene: Leute die sich viel Können angeeignet haben und denen es vor allem darum ginge, dies zu zeigen. Eine SM-Beziehung klappe dagegen nur, wenn man sich 100% auf den anderen verlassen und ihm Vertrauen könne, war die mehrheitliche Meinung. Dennoch brauche auch der Aktive immer auch eine Portion Misstrauen gegenüber sich selbst, beteuerte ein Besucher, an diesem Abend, an dem sich fast alle Anwesenden der großen Runde am Gespräch beteiligten. Die Verantwortung bleibt immer bei beiden, doch in der Situation muss der Top immer auch entscheiden, ob er zu weit gegangen ist, oder geht, zumal wenn der Sub auch psychisch nicht mehr in der Lage ist, zu signalisieren, wenn dies der Fall ist.
Bei einer abschließenden Runde fand das Statement einer Teilnehmerin weitgehende Zustimmung: Sadismus ist eine vollkommen subjektive Angelegenheit, die sehr individuelle Aspekte hat. Jeder muss selbst, im Rahmen einvernehmlichen Tuns, ausloten und erspüren, wie weit er mit seinem Gegenüber gehen kann und will.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 31.10.2014
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de