Sind wir nicht alle Sex-Positiv?

Ja, natürlich haben Sadomasochisten, für die Erotik und Sexualität offenbar einen weit größeren Stellenwert besitzen, als dies bei anderen Mitbürgern der Fall ist, eine positive Einstellung zu Sexualität! Und selbstverständlich sind Zeitgenossen, die uns damit nicht verstehen Spießer, prüde Spielverderber und im Grunde genommen Lebens- und Menschenfeinde.
Bei der Themensammlung im Januar wurde gewünscht, sich mit dem Thema "Sexpositiv" auseinander zu setzen. Sind wir das also nicht alle? Wenn man sich mit dem Begriff auseinandersetzt, tut sich eine interessante Perspektive auf, denn nicht jeder, der Sex einfach geil findet - und immer mehr davon haben will, ist gleich Sexpositiv.
Sind auch SMer sexpositiv, oder tun sie nur so? Schließlich scheint - zumindest, wenn Corona-Maßnahmen dies nicht verhindern - in den Metropolen Deutschlands der Trend zu bestehen, Sex-Positiv-Partys zu veranstalten, auf denen auch, aber nicht nur Leute in SM und Fetisch-Bekleidung zu finden sind. War jemand aus unseren Kreisen bereits bei so einer Veranstaltung? Geht es um eine Lebenshaltung, gegenüber Sexualität an sich? Oder wird auch die Beziehung gefeiert - und unterscheidet sich dies von SM?

Für dieses Treffen gilt:

- Bitte Anmelden über info@SundMehr.de. (Die Teilnahme an diesem Treffen ist leider noch auf 15 Personen begrenzt!)
- Die Adressen aller Teilnehmer müssen vom Wirt festgehalten werden. (Ohne Adressweitergabe ist leider keine Teilnahme möglich).
- Ein Abstand von 1,5m von Personen aus verschiedenen Haushalten muss eingehalten werden!
- Beim Betreten der Gaststätte muss eine Alltagsmaske getragen werden - die nur am Tisch sitzend abgelegt werden darf.
- Der Eingang wird über den Steg, neben der Treppe, in unseren Raum erfolgen, damit der Zutritt zum Biergarten abgesperrt bleiben kann.
- Sollte es weitere Einschränkungen geben, wird uns der Wirt darauf hinweisen!

Wer vor allem etwas essen will, sollte nach Möglichkeit eine Stunde früher erscheinen, damit gehäufte Bestellungen den Gesprächsverlauf nicht zu sehr beeinträchtigen.

Bitte beobachtet die bekannte Mailngliste sofern es kurzfristige Änderungen gibt!

Rückschau

Neun Gesprächskreisteilnehmer trafen sich am 28. August, um sich darüber zu unterhalten, ob wir nicht alle Sex-Positiv sind. Die Vorstellungsrunde wurde mit der Frage verknüpft, ob die Anwesenden diesen Begriff vor 2020 bereits gehört haben und womit sie ihn verbinden. Außer dem Themengeber und dem Moderator war der Begriff den meisten nicht geläufig - und selbst diejenigen, die ihn im Internet recherchiert hatten, hatten die Bedeutung inzwischen wieder vergessen. Dass dieser Begriff eher eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit gegenüber Sexualität bedeuten könne, mutmaßte eine Anwesende. Dabei war einigen fraglich, ob es auch so etwas wie "Sex-Negativ" gäbe, andere fanden, dass es sich - in Corona-Zeiten - anhört, wie eine Krankheit, oder wie einer der neuen Begriffe, die rund um das Thema Sexualität von Insidern erfunden wurde, wie auch queer, inter- oder pansexuell...
Beim Start der Gesprächsrunde, fiel dann doch einem Teilnehmer ein, dass er sich erinnere, diesen Begriff als Gegenströmung zu dem in den 70er Jahren, eher Sex-Feindlichen Feminismus gehört zu haben. Weil Sexualität damals noch als stark Rollengebunden ("männlich") erlebt wurde, war eine positive Einstellung dazu, mit Feminismus kaum in Einklang zu bringen. Eine sex-freundliche Haltung, war strukturell und traditionell, auch als Frauen unterdrückend zu verstehen, was sich mit der politischen Einstellung nicht vertrug.
Aufschlussreich dann die Erläuterung des Themengebers, aus einem selbst recherchierten Artikel eines bekannten Erotik-Portales, dass der Begriff bereits über 100 Jahre alt sei und auf den Psychiater Wilhelm Reich und Theodor van de Velde zurück ginge. Andere Erläuterungen geben an, dass eine amerikanische Journalistin die Frage stellte, ob die Frauenbewegung auch "Pro-Sex" sei, was den Begriff des Sex-Positivismus geprägt habe. Interessant dabei: im angloamerikanischen Sprachraum, steht "Sex" nicht für das, was international daraus gemacht wurde, sondern schlicht und unerotisch für das Geschlecht. In diesem Sinne, bedeutet Geschlechts-Positiv zu sein, nicht zwingend auch, eine positive Einstellung zu Sexualität (und allem, was dazu gehört) zu haben, erläuterte ein Anwesender.
Die Anfänge des Feminismus könnten durchaus als Gegenbewegung, zur nicht zu leugnenden Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen, durch eine gewisse Männerfeindlichkeit betrachtet werden, die dann auch Sexualität ablehnt (weil noch keine Vorstellungen bestehen, wie diese gleichberechtigt zwischen den Geschlechtern ausgelebt und gestaltet werden kann).
Wie sieht es bei dieser Thematik bei SMern aus? Sind hier nicht die Geschlechter gerade gleichberechtigt, weil eher die komplementär passenden Rollen von Dominant/Aktiv zu Devot/Passiv gesucht werden, und zwar unabhängig vom Geschlecht der Beteiligten? Im Kern, fand eine Anwesende, sähe sie keine automatische Offenheit. Viele Sadomasochisten seien zwar gegenüber ihrer eigenen Vorlieben aufgeschlossen. Inzwischen habe sie aber auch viele erlebt, deren Auftreten zeige, dass auch sie in Klischees verhaften und nur eine geringe, Offenheit gegenüber anderen Denkweisen und Selbstdefinitionen zeigen, die Grauzonen im Erleben der jeweiligen Bedürfnisses akzeptiert. Dass allein eine andere Neigung einen Menschen nicht aufgeschlossener macht, bestätigten auch andere Anwesende.
Allerdings, so ein Einwurf, mochte es sein, dass allein die Auseinandersetzung mit ihrer, gesellschaftlich oft als anders erlebten Sexualität, tendenziell eine größere Offenheit gegenüber anderen Menschen, die irgendwie anders sind, mit sich bringt. Dabei mag das Thema Sexualität für jeden schlichtweg eine besondere Rolle im Leben spielen, ergänzte ein Anwesender: Er lebe seit 46 Jahren als Vegetarier und habe darum einfach eine andere Sichtweise auf Lebensmittel. Die Frage "was ist da eigentlich drin, im Essen?" habe sich bei ihm als ganz normal herausentwickelt. Allerdings muss dies nicht bei allen Vegetariern automatisch so sein.
Die Beschäftigung und Reflexion über Essen oder Sexualität kann auch zu einem eher zwanghaften oder elitären Denken führen (dass dann neutralere Mitmenschen sehr nerven kann).
Ganz grundsätzlich lehnte eine Anwesende die Gegenüberstellung von "die SMer" versus "die Anderen" in dieser Frage ab, weil die Tatsache, dass jemand zu seiner Neigung steht, ihn nicht grundsätzlich zu einem aufgeschlosseren Menschen macht. Dabei scheint klar, dass wer Probleme mit der Integration seiner Neigung in sein Leben hat, durch die jahrelange Beschäftigung damit dogmatischer oder schlimmstenfalls verklemmter werden kann.
Es fragt sich auch, ob Sex-Positivismus eine reine Haltungsfrage ist, oder ob dies auch die eigene Praxis betrifft. Erneut, steuerte ein Anwesender seine Beobachtung bei, dass die Selbstwahrnehmung Einzelner, bezüglich der eigenen Aufgeschlossenheit in der SM-Szene von der Aussenwirkung oft abweicht. So bleiben viele Untergruppen, wie Bondage- oder Spankingliebhaber der BDSM-Szene weitgehend unter sich und eine Vernetzung mit der schwulen- oder lesbischen BDSM-Anhängern ist bei weitem nicht gelungen (obwohl das Gros der Rituale oder Regularien der Szene ihre Wurzeln ursprünglich dort haben).
Allerdings scheint dies besonders bei den älteren BDSM-Szene-Gängern der Fall zu sein. Für jüngere Sadomasochisten scheint dies bereits etwas ganz anderes zu sein, stellte eine Anwesende fest. Es könnte also sein, dass der Drang zur immer präziseren Selbstdefinition, die mit einer Abgrenzung gegenüber anderen einher geht, etwas mit Identitätsfindung von Leuten zu tun hat, die sich als diskriminierte Minderheit erleben und sich im Sinne ihres Bedürfnisses nach Emanzipation, selbstbehauptend sagen: "Ich bin so (und nicht anders), und das ist auch gut so!"
Am Ende verlas der Themengeber noch Teile, seines recherchierten Artikels, der auch als Ausblick für den Gesprächskreis im Oktober dienste, wenn wir uns erneut mit dem Thema, nach Möglichkeit bei Anwesenheit eines Anwesenden Gastes beschäftigen. "Sex-Positiv" heißt nicht, alles zu machen und für sich als gut oder richtig zu empfinden zu müssen, sondern dem nach zu gehen, was man mag, allerdings dabei offen zu bleiben, für Neues - und Anderes.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 28.08.2020
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, bis zum nächsten Kreisverkehr. In diesem rechts (erste Ausfahrt) Richtung "Alte Kelter, Sportanlagen, Kleingartenanlagen" in die Kelterstraße. Dieser ca. 650 m folgen, bis zum Sportplatz.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de