Da beim letzten Treffen nur 6 TeilnehmerInnen anwesend waren, haben wir uns entschlossen, das Thema zu vertagen und uns in Anlehnung an das Thema des letzten Gesprächskreises ("Ja, will den keiner dazugehören") mit der Fragestellung auseinanderzusetzen: "was erwarte ich von der Szene?" (vom Gesprächskreis, vom Stammtisch usw...) gegebenenfalls lassen sich an diesem Abend weitere Themen finden. Manchmal kommt es mir so vor, wie es mit der Leserschaft einer der größten meinungsBILDenden Tageszeitung ist: keiner liest sie und dennoch gehen täglich vier Millionen Exemplare durch die Hände der Leser. Redet man unter SMern über "die Szene" kommt schnell der Hinweis, dass ja niemand so genau definieren könne, wer zur Szene gehöre, und wer nicht. Und dennoch reden wir darüber, sind selbst Teil davon. Und wer sich bei Wikipedia halbschlau macht, ließt im Zusammenhang mit der Begriffserklärung für "Szene",
- von Insidern, die Wissen besitzen, das Außenstehende nicht haben (weshalb man gerne presseseitig in verschiedensten Zusammenhängen auf sogenannte Insiderinformationen verweist),
- von Subkulturen, die ein "Wir-Gefühl" entwickeln, weil die Teilnehmenden ähnliche Vorlieben, Ansichten und Geschmäcker haben und sich dadurch verbunden fühlen, oder
- vom mehr oder weniger künstlerischen Lebensstil der "Bohème", der danach strebte herrschende Konventionen zu überwinden, frei und wild zu leben (kennen wir das nicht?). Und das
- vor allem aus der Außensicht gerne definiert wird, was und wer zu welcher Szene gehört oder nicht.
Und wir, die wir uns nicht gerne über unseren Minderheitenstatus definieren wollen, leugnen dann gern, dass "Die Szene" sich definieren lässt. Spiegelt sich darin vielleicht unser Wunsch, nach gesellschaftlicher Integration wieder? Oder Machen wir uns nur etwas vor? Wie definiere ich mich selbst, gegenüber der Szene? Will ich dazu gehören, oder mich von ihr teilweise oder ganz abgrenzen? Aber was will ich denn selbst? Meine Sexualität in mein Leben integrieren (was ja nichts mit gesellschaftlicher Integration zu tun haben muss)? Oder will ich, dass die Szene dazu beiträgt, meine Vorlieben in der Gesellschaft hoffähig zu machen und zu integrieren? Was kann ein Gesprächskreis dazu leisten (und wie kann er es)?
Sieben SMlerInnen trafen sich am 28.03.08 im Gesprächskreis SundMehr um sich über ihre Erfahrungen mit dem Begriff der "Szene" Gedanken zu machen. Beim Einstieg stellte sich heraus, dass viele der Anwesenden den Begriff eher mit etwas Negativem assoziierten, wie etwa einer gleichgeschalteten Vereinsmeierei, bei der einer sagt, wo es lang geht. Andere berichteten von Gesprächen mit SMern, die zwar Veranstaltungen, Medien und Zulieferer der SM-Szene nutzen, sich selbst aber keinesfalls als Teil der SM-Szene bezeichnen lassen wollten. Auch die Mehrzahl der Anwesenden lehnten diese Begrifflichkeit eher ab. Schaut und hört man sich um, wo und wie der Begriff der "Szene" genutzt wird, fällt auf, dass die verschiedensten Erscheinungsformen einer Interessengruppe damit zusammengefasst werden, etwa bei der Skizzierung einer Musiker-, Mode-, Motorradfahrer- oder Künstlerszene. Selbst die Verwendung des Begriffes "Fussballszene" wäre denkbar, in einem beschreibenden Beitrag eines kulturellen Fernsehmagazins: von einer so betitelten Sendung würde der Zuschauer die Beschreibung, nicht nur von Bundesliga- bis hin zu kleinen Sportvereinen, sondern auch der Zuschauer, Fanclubs, bis einschließlich des gesamten Umfeldes erwarten. Der Begriff der Szene wird entsprechend eher von Außenstehenden gebraucht und umschreibt nur abstrakt eine Anzahl von Leuten mit gleichen oder zusammenhängenden Interessen - um dieser zunächst losen Gruppierung eine Benennung zu geben, mit der dann umgegangen werden kann. Gleichgültig dabei ist, ob die Gemeinten sich selbst zu dieser Szene zugehörig fühlen, oder nicht. Im Gespräch an diesem Abend stellte sich heraus, dass sich im Gegensatz zur "Szene" eine Gruppierung deutlicher definieren lässt: durch die gleichzeitige Anwesenheit der Gemeinten an einem Ort. Diese Gruppe kann sich auch selbst enger, weiter oder vorübergehend definieren (wie z.B. ein Gesprächskreis, Stammtisch), jedoch auch Teil eines großen Ganzen sein. Auffällig ist auch, dass sich innerhalb einer Szene Untergrupperungen bilden, die sich dann von einander abzugrenzen versuchen können aber nicht müssen. Es gibt Schnittmengen. Unter SMern können dies die Anhänger von Bondage, SM oder Rollenspielen sein, ganz zu schweigen von Crossdressern, Vierundzwanzig-Siebenern, Petplayern oder auch Christen usw. sein... schwierig wird es wenn dann die eigene Sicht der Dinge als die einzig richtige dargestellt wird. Vergleichbar schien an diesem Abend auch die Beschreibung aller christlichen Escheinungs- oder Ausdrucksformen, Kommunikationskanälen oder Zulieferern mit all ihren Facetten, vom erzkonservativen Katholik über den evangelikalen Pietisten oder fundamentalistischen Freikirchler, bis hin zum buddhistisch angehauchten, spirituellen Freidenker. Nicht mal in diesem Bereich ist der verbindende Glaube an diesen einen Gott der Garant für das Ausbleiben innere Kämpfe und Zerrissenheiten. Sondern da dies Anliegen den betreffenden teilweise sehr wichtig ist, führt die Interpretation von Inhalten zunächst zu Streitereien über die einzuschlagende Richtung, und schließlich zu starker gegenseitiger Abgrenzung - bis zum gegenseitigen Angriff. Doch genauso wenig, wie sich an diese schillernde Gruppe "der Christen" eine spezielle Erwartung knüpfen lässt (weil ja jeder einzelne nur seine Erwartungen an diesen Gott - als gemeinsam verbindende Idee - stellen kann), kann an so etwas wie "die Szene" eine konkrete Erwartung gerichtet werden - Zumal ja mehrheitlich von außen definiert wird, was "Szene" ist und was nicht. Vorausgesetzt werden kann lediglich eine gewissen Kenntnis über Umgangsformen, wie zum Beispiel die, dass eine Handlung, die im Alltag als "Gewalt" gewertet werden würde keine Gewalt darstellt. Die Verantwortung, sicherzustellen, dass dem aber auch wirklich so ist - in dem SSC eingehalten wird - bleibt jedoch bei jedem einzelnen. Dies sicherzustellen ist dann jedoch bei einer Untergruppierung (z.B. im Rahmen einer Party) leichter. Hier können Regeln und Grenzen dann enger oder weiter abgesteckt werden. Selbstverständlich bleibt der common-sense jedoch nicht - was oft bei der Kommunikation unter SMern zu Missverständnissen zu führen scheint, weil manche meinen genau definieren zu können, was "richtiger" SM ist, und was nicht. Wer sich in dieser Form selbstbewusst als Szenezugehörig definiert, gerät dann leicht in die Gefahr zum versnobten "Bohème" zu werden, der dies als modisches Accessoire seines persönlichen Lebensstiles betrachtet. Da es aber keine genaue Definition gibt, was die Szene ist, wo sie beginnt, endet und wer dazu gehört, kann auch niemand aus der Szene geschmissen werden (nicht mal bei berechtigter oder unberechtigter Ausgrenzung), egal ob Bohème oder sporadischem Randnutzer von SM-Kommunikationskanälen.
Datum: | 28.03.2008 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
Ort: | TV-Heim, Am Sportplatz 4, 71394 Kernen-Stetten |
Anfahrt: |
Anfahrt über B 14/B29: Anfahrt von Esslingen: |
Kontakt: | info@SundMehr.de |