Wir wollen uns diesmal über die Frage nach "dem richtigen Zeitpunkt" unterhalten. Klar kennen wir alle die Fantasien von der allzeit willigen Sklavin oder dem Sklaven, der allzeit willig sein will. Was aber, wenn die Herrin oder der Herr keine Lust auf die anstrengende Unterdrückung seines Eigentums hat? Oder dem Objekt gerade die Realitäten des Lebens wichtiger auf den Nägeln brennen, als die lustvollste Session? Auch ein SMer hat das Recht darauf auch mal keinen "Bock" auf Sex zu haben, eine Pause zu brauchen, in der anderes wichtiger ist. In anderen Beziehungen soll das ja vorkommen, nur wird dort kein Machtgefälle inszeniert. Wie soll man sich aber lustvoll quälen lassen, wenn man gar keine Lust hat? Oder wie will man voll Genuss demütigen, wenn man mal einfach nach dem anstrengenden Tag vor der Glotze hängen will? Gibt es Gesprächskreis-Teilnehmer, für die es nicht nur in der schönen Traumwelt immer Lustvoll ist sich demütigen, fixieren oder schmerzen zufügen zu lassen? Wie gehen wir damit um, wenn die Realität die schönen Träume wegwischt? Halten unsere Beziehungen und Selbstbilder das aus, wenn Sex mal weniger wichtig ist? Und wie gehen wir damit um? So wie der Appetit ja manchmal beim Essen kommt, kommt die Lust ja auch zuweilen bei der Aktion. Aber woran erkenne ich, dass sie kommen kann und wann steuere ich auf die große Enttäuschung beider Beteiligten zu? Wie erkennen wir den richtigen Zeitpunkt?
Sechs SMlerinnen und vier SMler trafen sich am 25.04.08 im TV-Heim in Kernen-Stetten, um sich über ihre Erfahrungen mit dem richtigen Zeitpunkt für eine gute Session zu unterhalten. Wird auch oft in erotischen Fantasien und deren literarischen Zeugnissen der Traum vom allzeit willigen Lustobjekt geträumt, sieht die Realität in der Regel anders aus. Egal ob auf dominanter oder devoter Seite, war die Erfahrung, dass die Belastungen des Alltags die Realisierung erotische Wünsche blockieren, kein Einzelfall unter den Teilnehmern. Und mit dieser geht dann auch die Enttäuschung des jeweiligen Gegenübers einher: Wie erreicht es der passive Part, wenn die Frequenz zwischen den Sessions zu groß wird, dann doch endlich zu seinem Recht zu kommen? Ist es nicht absurd, als unterwürfiger Partner oder Partnerin sein Gegenüber zu nötigen doch so nett zu sein, seine Überlegenheit endlich einmal spürbar zu machen? Die Verlockung, in eigener Regie den Frust, das Zurückstecken, in die eigene Unterwürfigkeit einzubauen ist groß - und damit auch die Gefahr der Hörigkeit. Dann werden Kleinigkeiten schon gewichtig: wenigstens mal zehn Minuten sich als Subbie fühlen zu dürfen, mal nur in die Jacke helfen, den Schuh binden zu dürfen. Ungeklärt blieb die Fragestellung, wie die oder der Dominante damit umgehen kann, wenn sein Sklave mal nicht will. Quälen, obwohl die oder der Andere keine Lust hat, wäre nicht einvernehmlich. Was also tun? Nur den nächsten Kick zu setzen um den anderen abzuholen, kann dazu führen, dass der Besitzer sich für sein Objekt abstrampelt und einen verhängnisvollen Leistungsdruck aufbauen. Wie soll da das Bedürfnis nach erotisierter Machtausübung befriedigt werden? Wo der Alltag die Beziehung mit seinen Realitäten nicht bereichern kann, weil sich die Beziehung eben nur aufs erotische Spiel begrenzt, scheint es diese Probleme auf den ersten Blick nicht zugeben: Eine Teilnehmerin berichtete aus ihrer Erfahrung in einer reinen Spielbeziehung, dass es einen falschen Zeitpunkt dort nicht gab: Jederzeit konnte sie - und damit auch ihre Erregung - von ihrem dominanten Herrn abgerufen werden; auf Knopfdruck, via SMS. Als sie diese Beziehung beendete, staunte sie jedoch nicht schlecht über die Reaktion ihres Herrn, die der eines Achtjährigen glich, "dem seine Spielzeugeisenbahn weggenommen wurde". Sei fragte sich, ob und wie sie diesen Menschen dann überhaupt gekannt hat. Und so scheinen unsere erotischen Fantasien schon die Abkehr von der Welt, vom Leben mit den Begrenzungen der Realität widerzuspiegeln. Wie viele Fantasien handeln davon, von der Außenwelt abgeschnitten, im Verließ zu sitzen, nur ab und zu - bzw. möglichst oft und anhaltend - vom Gegenüber hilflos gemacht, als Lustobjekt benutzt oder Gedemütigt zu werden, sodass sich alle Gedanken nur um die eigene Lust und die Beziehung drehen? Am Besten scheint es insgesamt zu sein, die Realitäten des Lebens als gegeben zu akzeptieren, aber damit umzugehen, in dem die Session auf eine andere Tageszeit gelegt wird - es muss ja nicht nur bei frisch verliebten so sein, dass das Bett nicht nur zum Schlafen da ist und Sex auch mitten am Tag oder in der Frühe statt findet. Wenn es einfach unvermeidbar und verständlich ist, dass Abends nicht mehr läuft, weil der Partner eben erst spät in der Nacht heim kommt, kann darauf geachtet werden, dass das Wochenende von Verpflichtungen freigehalten wird. Eines der anwesenden Paare nutzt dazu eine der inzwischen schon verbreiteten SM-Locations mit Übernachtungsmöglichkeit. Ähnliche Tipps finden sich auch in jeglichem stinknormalen Beziehungs- oder Paarberatungsartikel, wie sie inzwischen selbst schon in christlichen Magazinen verbreitet werden. SMler scheinen mit der Problematik Alltagsrealität versus Erotik, sich überhaupt nicht von der Allgemeinheit zu unterscheiden - lediglich in ihrem Umgang damit, wenn die Definition ihrer Rollen mit ihrer Selbstdefinition als Partner verschwimmt. Und trotz aller schönen Utopie von der Beziehung in der an vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tagen in der Woche die Rollen aufrechterhalten und der Alltag erotisiert wird, scheint es angeraten zu sein, diese Grenze aufrecht zu erhalten.
Datum: | 25.04.2008 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
Ort: | TV-Heim, Am Sportplatz 4, 71394 Kernen-Stetten |
Anfahrt: |
Anfahrt über B 14/B29: Anfahrt von Esslingen: |
Kontakt: | info@SundMehr.de |