Einige von uns müssen mit chronischen Krankheiten leben. Für viele ist es sehr schwer, ihre Sexualität trotzdem auszuleben. Geht das überhaupt? Wie gehen Betroffene damit um? Über diese Themen wollen wir uns unterhalten und Erfahrungen austauschen.
Sechzehn Männer und Frauen trafen sich am 27.06.08, um sich über SM auf dem Hintergrund von Krankheiten zu unterhalten. „Es soll dabei nicht um Schnupfen oder einen Infekt gehen“, meinte Andreas in der Moderation, sondern um Chronische Krankheiten, welche die Befindlichkeit der Beteiligten im Alltag, wie auch in der Erotik spürbar beeinflussen. Als Einstieg wurde die Autobiographisch gefärbte Geschichte einer schwäbischen SM-Autorin (Tevoda) vorgelesen, die darin ihre Erfahrungen mit einer Parkinsonerkrankung, sowie die Hemmungen, dass diese bei einer Session erkennbar werden, beschreibt. Bei der nachfolgenden Diskussion wurde bereits am Anfang angemerkt, dass es zweierlei Dimensionen bei dem Zusammenhang gibt: die Scham, als Erkrankter überhaupt zu seiner – unter dem Einfluss von Medikamenten vielleicht gar nicht zu bemerkenden – Erkrankung zu stehen, sowie die Frage nach Sicherheitsaspekten (wie kann SM ausgelebt werden, wenn die oder der Dominante unter Epilepsie leidet?), oder der Einschränkung mancher Fantasien durch die Erkrankung. Eine der Anwesenden, die selbst unter Multipler Sklerose leidet, beschrieb hierbei, dass eben manche Aktion – wie langes Stehen – im Rahmen einer Session nicht möglich sei. Ihr ebenfalls anwesender dominanter Gatte beschrieb den Anspruch, damit umgehen zu können als normal. Man müsse doch davon ausgehen können, dass in einer Partnerschaft, wenn offen über alles gesprochen wird, auch solche Einschränkungen auszuhalten seien. Seine Tendenz, sich bedienen zu lassen, baut er nach eigenen Worten gerne in einen SM-Kontext mit ein. Allerdings geht dies natürlich nicht, wenn seine Partnerin ganz offenbar unter Schmerzen leidet. Von einem Spieleabend bei einer Party berichtete er jedoch, bei dem ein Anwesender seine körperbehinderte Partnerin einvernehmlich auch anderen zur Verfügung stellte. Unbefangen über die eigene „Beißhemmung“ hinweg zu gehen, und das Gesäß der auch ohne SM-Utensilien bereits eingeschränkten Frau, mit Gerte oder Stock zu traktieren, habe er auch schwierig gefunden. Schnell wendete sich das Gespräch dann dem Thema „Behinderung“ zu, wobei einige Teilnehmer ihre Hemmung zugaben, jemandem, der ohnehin schon hilfloser als Andere ist, potentiell sich durch seine Situation anderen gegenüber benachteiligt, vielleicht sogar gedemütigt fühlt oder noch dazu schmerzen hat, genau dieses überhaupt oder verstärkend zu zufügen – obwohl jeder der Anwesenden um die schwer zu definierende Grenze zwischen erotischem und unerotischem Schmerz, Demütigung oder Hilflosigkeit wusste. Offen blieb letztlich, wie viel Hemmungslosigkeit und Akzeptanz hierbei idealisierte Wunschvorstellung der Einzelnen Selbstbilder war, oder realistische Haltung. Wenn auch der ganze Bereich der nichtsichtbaren Krankheiten psychischer Art an diesem Abend nahezu ausgespart wurde – weil er zuvor bereits mehrfach besprochen wurde – konnte jedoch festgestellt werden, dass eine tragfähige Beziehung, im Gegensatz zu reinen Spielbeziehungen, den Umgang mit Einschränkungen erleichtert und dass auf diesem Hintergrund möglichst große Offenheit und Vertrauen unabdingbar ist. Wodurch sich Menschen mit Sadomasochistischen Neigungen wieder einmal von Leuten, die diese ermangeln, in nichts unterscheiden.
Datum: | 27.06.2008 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
Ort: | TV-Heim, Am Sportplatz 4, 71394 Kernen-Stetten |
Anfahrt: |
Anfahrt über B 14/B29: Anfahrt von Esslingen: |
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