Strafe, Erziehung

Da das Gespräch über das Thema "Strafe" - bereits vor einem Jahr im Januar 08 - noch Gesprächsbedarf offen ließ, wollen wir uns als Fortsetzung, ergänzt um den Aspekt "Erziehung", damit auseinander setzen. Denn "Strafe" ist eine Aktion eines Erziehenden, gegenüber einem, der erzogen wird. Die älteste SM-Zeitschrift (Start 1967) im deutschsprachigen Raum nannte sich "freies Forum für Erziehungsfragen“. Insgesamt stellt sich also auch die Frage, ob Spiel und Realität hier nicht mal wieder bei vielen Sadomasochisten (m/w) auseinanderklaffen oder zu weit miteinander vermischt werden sollen. "Erziehung" bezeichnet alle Maßnahmen, die ein Kind im Rahmen seiner Sozialisation zur Erwachsenheit (Mündigkeit) erlangt. So das Brockhaus Lexikon hat Erziehung mit der Formung des Charakters zu tun, gerade auch vom weit mächtigeren Mündigen, erwachsenen Menschen, gegenüber einem noch unmündigen. Wer möchte, kann unter Wikipedia oder an anderer Stelle im Internet unter "Strafe", "Sanktion" oder "Erziehung" nach Definitionen suchen. Fragwürdig ist, in welchem Kontext dies unter erwachsenen Menschen, in erotisierter Form stattfinden kann. Sich hingeben zu wollen ist eine Sache und einvernehmlich kann es auch zugehen, wenn einer sich "erziehen" lassen will. Doch wie kann das möglich sein, unter bereits mündigen, sozialisierten Menschen? Kann umgekehrt die charakterliche Formung des submissiven Parts durch den dominanten noch ganz „Sane“ sein - mit klarem Menschenverstand zugehen? Wenn Strafe mit Lust besetzt ist, wie kann das dann noch Strafe sein und Verhalten sanktionieren? Und ist sie nicht mehr mit Lust besetzt, ist das dann noch einvernehmlich? Und vor allem: Wenn jemand sich erziehen lassen will, warum erzieht er sich nicht gleich selbst? (Oder: Warum wollte der Fuchs, sich erst zähmen lassen, bevor der kleine Prinz mit ihm spielen durfte?) Wie möglich ist denn einvernehmliche, erotische Strafe oder Erziehung? Damit wir abschätzen können, wie viele kommen, wäre eine Anmeldung über info@sundmehr.de nett.

Rückschau

14 Teilnehmerinnen des Gesprächskreises SundMehr trafen sich am 27.02.09, um sich über das Thema "Strafe" im Kontext von SM-Praktiken Gedanken zu machen. Das Schmerzen eher Lustvoll oder als Strafe zugefügt, bzw. erfahren werden können, war den Anwesenden klar. Schwieriger war es zu definieren, wo bei aller Einvernehmlichkeit der Aspekt der "Strafe" in einer Beziehung unter mündigen Menschen Platz hat. Sieht man sich manche (schriftlichen) Auslassungen praktizierender Sadomasochisten an, wirkt einiges, was da behauptet wird, schon bedenklich. Denn wenn Strafe in inszenierter Form gar nicht stattfinden kann, stellt sich die Frage, ob sie als Eingriff in die Persönlichkeit eines Anderen, wenn sie wirklich "Strafe" ist, wirklich noch "Sane" ist - d.h. unter gesundem Menschenverstand noch ausgeführt werden kann. Entscheidend sei der "Metakonsens", meinte ein Anwesender, eine andere konkretisierter weiter: "ob man sich hinterher noch in die Augen sehen kann." Strafen können bei Sessions so auch in Grenzbereiche führen, die man sich sonst von keinem anderen antun lassen würde (was n.B. ja bei jeder intimen Betätigung kennzeichnend ist). "Ohne SM-Kontext", bestätigte eine Teilnehmerin, wäre es für sie vollkommen inakzeptabel, sich von einem Partner "bestrafen" zu lassen. Dieser Kontext führt eben dazu, dass unangenehme Erfahrungen, auch weniger Lustvolle, eben doch akzeptiert werden. Dennoch gehört Strafe bei Vielen zur Inszenierung einer Session: Wenn der Putzsklave die Kanne versehentlich fallen lässt und dabei zerstört - und dafür einige Ohrfeigen empfängt - hätte ihm etwas gefehlt, wenn die anwesende Herrin auf die Ohrfeigen verzichtet hätte um dafür auf seine partnerschaftliche Einsicht zu vertrauen, obwohl diese ja nicht fehl am Platz gewesen wäre: in der Tat hätte er ja auch ohne diese Ohrfeige zukünftig aufgepasst, dass solche Missgeschicke nicht vorkommen. Nötig zur Verhaltensänderung war diese "Strafe" also nicht. Ein anderer Anwesender wusste von Situationen, in denen er die Schranken einer Session durchbrach, weil er einfach keinen Bock hatte, auf die "Bestrafung" - und weil ihm nicht nach SM war, weil Alltagsbelastungen jegliche Lust auf Erotik vertrieben hatten. Somit war er durch "Strafe" nicht zu steuern, denn die "Herrin" hätte ihn in dieser Situation auch "mit Gewalt" nicht in die Welt der Session "zurückholen" können (obwohl es Situationen gibt, wo dies, nach der Erfahrung mehrerer noch möglich ist). Wo Leute sich bei Sessions vorsätzlich so verhalten haben, dass sie bestraft werden, wurde an dem Abend berichtet, dass sie "zur Strafe" auch weggeschickt, bzw. aus der Situation einfach entlassen wurden, was zumindest dazu führte, dass ein "um Strafe betteln" beim nächsten Mal ausgeblieben ist. Strafe stellt in diesem Sinne eine verabredete Regel dar - wie der Gefängnisaufenthalt bei Monopoly, nach dem dritten Pasch. Und von beiden beteiligten Seiten kann beobachtet werden, ob diese Regel auch eingehalten wird, weil das Spiel sonst endet. Am ehesten führt dies bei Leuten, die versuchen sich 24/7 anzunähern oder DS Beziehungen zu leben, oft zu einem Dilemma, weil es hier um längerfristige Situationen geht, sodass auch Alltagsverhalten in den Dunstkreis einer Session gerät. Wenn aber allein die "Strafe" zu einer Verhaltensänderung führen soll - wie einige der Anwesenden auch aus ihren Erfahrungen als Verkehrsteilnehmer wussten - ist die Angst davor ein wichtiger Erfolgsgarant. Dieser wird allerdings oft ausgehebelt, wenn Liebe und Vertrauen, die Grundlage für die Beziehung ist. Teilnehmer von der Submissiven Seite der Erotik, wussten eher von einem (nur) unangenehmen Gefühl zu berichten, selbst wenn klar war, dass sie die angedrohte "Strafe" hassen würden, wodurch letztlich sie selbst bestimmten, ob sie sich so verhalten wollten, dass Sanktionen eintreten könnten oder nicht. Klar blieb, dass zum Begriff der "Strafe" ein klares "Erziehungsziel" gehört, dass bei vielen SMern aus dem oder der "idealen" Sub besteht, den sie sich erträumen. Klar allerdings auch, dass ebenso die "Subs" versuchen sich ihre idealen "Herren" oder "Herrinnen" zu erziehen, in dem sie die Strafen einfordern, wann und wie sie sie wollen und dadurch manche Session, schlimmstenfalls die ganze Beziehung, zu Fall bringen. Letztlich ließ sich daraus folgern, dass jeder im realen Leben seine Erziehung selbst in die Hand nehmen muss, egal auf welcher Seite er SM inszenieren möchte. Was dann bei einer Session bestraft wird und was nicht, ist eine Frage der Verhandlung auf der Metaebene - denn entscheidend ist der Aspekt um den es geht: es soll BEIDEN beteiligten Spaß machen, Lust bringen. Alles andere kann nicht nur das Spiel, sondern auch die Beziehung zum Straucheln bringen.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 27.02.2009
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort: TV-Heim, Am Sportplatz 4, 71394 Kernen-Stetten
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Erste Ausfahrt (Weinstadt/Endersbach) auf der B29 nach dem Teiler B14/B29 in Richtung Schorndorf, bzw. vorletzte vor der Zusammenführung B14/B29 in Richtung Stuttgart. Dann weiter Richtung Stetten / Esslingen halten.

Anfahrt von Esslingen:
Über Wäldenbronn Richtung Kernen-Stetten. Den Wegweisern „Diakonie Stetten“ und Sportplatz folgen. Haupteingang Diakonie und TV-Heim sind nicht weit voneinander entfernt. Parkplätze gibt es auch genug.

Kontakt: info@SundMehr.de