Keine Verkehrserziehung - SM und Polizei

Weniger um Verkehrserziehung, als um Kriminalprävention und den Abbau von Vorurteilen oder Bedenken im Umgang mit der Polizei geht es bei diesem Treffen.
Wer seine sexuellen Neigungen als eine von vielen möglichen Ausdrucksformen körperlicher Liebe und damit zwar als Ausläufer, aber dennoch zugehörigen Teil der Normalverteilungskurve menschlicher Verhaltensweisen betrachtet, hört auf, sich von der Gesellschaft auszugrenzen. Damit ist aber auch klar: Der Mensch mit sadomasochistischen Neigungen ist weder besser, noch schlechter, als andere Gesellschaftsmitglieder. Oft nehmen Menschen mit SM-Neigungen Vorurteile der Bevölkerung vorweg und haben Angst, ihre Vorlieben in Sachen Erotik würden nicht nur als krank sondern potentiell auch kriminell betrachtet. Klar ist dabei aber auch: Wenn Menschen mit Sadomasochistischen nicht grundlegend anders sind, als andere Mitbürger, können sie genauso Straftaten begehen, wie andere, es kann zu Missverständnissen kommen, bei der Absprache zwischen den Akteuren. Wem dies passiert, der kann nur froh sein, dass es Leute gibt, denen ihre Umgebung nicht egal ist. Andererseits kann auch versehentlich vom besorgten Nachbarn aufgrund verdächtiger Geräusche aus der Wohnung, die Polizei gerufen werden.
Wie geht es uns, wenn unsere Session durch einen Besuch der uniformierten Vertreter der Staatsgewalt gestört wird? Und wie geht es den Polizeibeamten? Gibt es Erfahrungen mit solchen Situationen? Sind diese über SM im groben aufgeklärt? Und wie verhalten wir uns richtig in so einer Situation?
Wir haben die örtliche Polizeidirektion angefragt, ob man bereit wäre, zu dieser Thematik zu Besuch in den Gesprächskreis zu kommen und sind auf offene Ohren gestoßen – auch wenn das Thema sicher ungewohnt ist, weil man bisher eher Elternabende zum Thema Verkehrserziehung oder Drogenberatung gewohnt war.
Wir würden uns freuen, wenn dieser Abend zur gegenseitigen Aufklärung, auch auf Seiten der SMer beiträgt, wie man das mulmige Gefühl, beim Umgang mit den Beamten, die ihren Job tun, gar nicht erst aufkommen lässt.

Rückschau

Zur Aufklärung, welche Erfahrungen oder Umgangsweisen es bei der Polizei im Bezug auf SM – und umgekehrt – gibt, trafen sich 29 Besucher am 26.08.2011 zum Gesprächskreis SundMehr in Kernen-Rommelshausen.
Das Interesse, am direkten Gespräch mit dem Kriminalbeamten vom Haus der Prävention der Polizeidirektion Waiblingen (http://www.haus-der-praevention.de/ ) war groß, was die bislang höchste Besucherzahl des Gesprächskreises begründete und dazu führte, dass auch lange nicht mehr Gesehene, sporadische Besucher oder auch ganz neue Gesichter anwesend waren. Schon bei der Vorstellungsrunde konnten viele Anwesende über ihre Erfahrungen mit der Polizei berichten, die oft aus verschiedensten Gründen beruflich bedingt waren, aber auch in wenigen Einzelfällen zufälliges Auftauchen der uniformierten Staatsvertreter in durchaus intimen Situationen betrafen, die jedoch beiderseits mit diskretem Humor bewältigt wurden, wobei es sich hierbei nicht erkennbar um SM handelte.
Dass die meisten geschilderten Situationen Verkehrsdelikte betrafen verwunderte den Gast nicht. Diese würden oft das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit prägen, weil hier ja in der Regel ein eindeutiger Verstoß vorliegt. Dass sich bei vielen Teilnehmern dieses Bild in der Zwischenzeit auch gewandelt hatte oder im Laufe der Lebensjahre auch verändert, läge auch an der Lebenserfahrung; betraf eine der geschilderten Erfahrungen mit der Polizei auch den illegalen nächtlichen Besuch des Freibades in der Jungendzeit, der abzuleistende Arbeitsstunden zur folgen hatte. Die Kriminalpolizei ist dagegen nicht mit Verkehrsdelikten befasst, was bezüglich der Außenwirkung sicher vorteilhaft sei.
Wo die Polizei einschreitet handelt es sich in der Regel um Notlagen von Bürgern, die Hilfe oder – durch Aufklärung einer Straftat – Schutz benötigen. Über eine Video-Sequenz, die in der Polizeiausbildung Verwendung findet und vom Notruf bis zum Eintreffen am Ort des Geschehens, die Situation bei „Häuslicher Gewalt“ aus Sicht einer Streife darstellte, gab der Kriminalhauptkommissar einen Einblick darüber, wie der praktische Alltag der Beamten ist. Als Menschen „wie du und ich“ standen auch sie während des Einsatzes im Spannungsfeld zwischen Dienstplangestaltung und den Belangen der Partnerschaft und mussten am Tatort professionell reagieren. Auch prägen sicher mediale Schilderungen, wie der „Fall Natascha Kampusch“ die Wahrnehmung und Sensibilität der Polizisten, wie an einem späteren Punkt des Abends erläutert wurde. Insgesamt hat sich das Aufgabengebiet auch gewandelt, was an dem Beispiel klar gemacht werden konnte: Während am Ende der im Video dargestellten Situation der „Platzverweis“, oder wie es im Beispiel hieß „die Wegweisung“ stand, wurde diese Begleitet mit dem Angebot an beide Parteien, Hilfsangebote oder den Kontakt zu Anlaufstellen zu vermitteln. Die Rolle der Polizei ginge schon fast in Richtung Sozialarbeit, meinte der Kriminalhauptkommissar.
In einer typischen Notrufsituation würden Nachbarn anrufen, sie könnten nicht schlafen, z.B. wegen Lärm in der Nachbarschaft. Vor Ort beginnt die Aufklärung schon mit der persönlichen Wahrnehmung der Beamten, z.B. des „Lärmes“ wodurch schon der Anfangsverdacht auf „nächtliche Ruhestörung“ oder „häusliche Gewalt“ abgeglichen wird. In der Regel wird dem Angezeigten auch nicht mitgeteilt, wer angerufen hat. Insgesamt schwieriger wird es sicher wenn die Aufklärung, nur im Beziehungskontext der Beteiligten zu finden ist. Das Gespräch wurde darum konkreter und bezog sich dann zunehmend auf den Umgang oder die Erfahrungen mit SM. In der Ausbildung zum Polizisten war ihm dies noch überhaupt nicht begegnet, dagegen jedoch bereits Anfang der 90er Jahre, bei der Weiterbildung zum Kriminalbeamten im Bereich der Tatortarbeit. Hier wurde ein Todesfall von Erhängen auf sexueller Grundlage beispielhaft erläutert was im praktischen Alltag aber kaum vorkommt. In der Sprache der Polizei wird dies dann „autoerotischer Unfall“ genannt. Bei seiner Recherche, unter Kollegen, um Auskunft darüber zu geben zu können, ob und wie häufig die Polizei mit SM im Alltag in Berührung kommt, wurde die Besonderheit dieses Themas dann dadurch deutlich, dass es gerade zwanzig Sekunden dauerte, bis die erste Email-Reaktion oder Kommentare eintrafen. Weitere Beispiele ließen sich auch bei einer Datenbankrecherche des Beamten nicht finden, letztlich wohl einfach, weil solche Situationen in der Regel keine Straftat zum Hintergrund haben, weshalb sie auch nicht gespeichert werden – Dokumentiert, wann und wo Beamte schon zu SM-Situationen von Nachbarn o.Ä. hinzu gerufen wurden, ist dies dann höchstens im „Wachbuch“ der Streife. Die Datenbank-Recherche über Begriffe wie „Maskierung“ führt deshalb höchstens zu Ergebnissen, die Banküberfälle oder ähnliches beschreiben.
Ohne Vorurteile oder Berührungsängste zu haben, kam der Gast mit den Anwesenden, durch aus auch mit einer Prise Humor, ins Gespräch, selbst wenn es zu Informationen kam, die sich mancher der Anwesenden sicher anders wünschte, wie bei der Diskussion um Outdoor-Spiele: Skizziert von den Teilnehmern und ergänzt durch den Gast, wurde hier eine Situation, in der ein Förster, vom Hochsitz aus, sieht, wie in der Entfernung jemand mit Seilen zwischen zwei Bäumen gefesselt ist und daraufhin die Polizei ruft (in erster Linie natürlich, weil die Betreffenden ihm das Wild verscheuchen). Eine hier erscheinende Streife würde zuerst feststellen müssen, ob der Betreffende dies selbst will, was bei einsichtigen SMern sicher nicht schwer sein dürfte, selbst wenn die Enttäuschung über die Unterbrechung der Session sicher groß wäre. Den Polizisten müsse es an dieser Stelle darum gehen, den Anfangsverdacht, der „Freiheitsberaubung“ zu beseitigen.
Darüber hinaus kommt die Erregung öffentlichen „Ärgernisses“ in Betracht, wenn dann klar ist, dass die Situation einvernehmlich ist und dem erotischen Spiel dient. In der Öffentlichkeit ausgelebte Erotik fällt nach § 183 a StGB darunter und Öffentlichkeit ist immer dann, wenn man sich nicht in seinen eigenen vier Wänden aufhält, erklärte der Kriminalbeamte. Relevant ist hierbei zwar die Absicht – der wissentliche Vorsatz. Bei einer Session in einem öffentlich zugänglichen Wald oder Park unterstellt man/frau jedoch, dass dies „wissentlich“ erfolgt; der Betreffende also davon ausgehen muss, dass dies andere Bürger (oder den Förster) beinträchtigen kann*. Die Öffentlichkeit bliebe erhalten, egal, wie weit jemand in den Wald hinein ginge. In der Regel hätten die Polizisten beim Einschreiten auch einen Ermessenspielraum, der auch das reine Aussprechen einer „mündlichen Verwarnung“ zulässt, wobei die Situation dennoch zu Protokoll gegeben werden müsse, was dann als Bericht zwar bis zum Staatsanwalt wandert, der dann jedoch schnell das Verfahren niederlegen kann. Schwieriger wird’s, wenn „Werkzeuge“ ins Spiel kommen, was von einem anderen Anwesenden anhand eines eigenen, wenn auch erfundenen, Beispiels, umrissen wurde. Übertragen auf das Beispiel des Outdoor-Spiels stünde hinter dem Mann, zwischen den Bäumen noch eine Dame, mit einem Rohrstock in der Hand und die Streife hört beim Eintreffen noch drei deutliche Schläge, die zugehörigen Reaktionen des Mannes und sieht die Striemen auf dem erhitzten Po. Hier handelte es sich um „gefährliche Körperverletzung“, weil ein Werkzeug verwendet wurde – die dann aufgenommen werden müsse, schon allein, weil die Polizisten sich nicht dem Vorwurf der der „Strafvereitelung im Amt“ aussetzen werden. Hier kam es zu einer Diskussion, rund um die Begriffe der „Offizialdelikte“ die von Amtswegen, auch ohne Anzeige der betroffenen Person verfolgt werden müssen, im Gegensatz zu den sogenannten „Antragsdelikten.“ In jedem Fall ist betroffenen SMern, die in entsprechende Situationen – die auch bei einem Krankenhausaufenthalt durch den behandelnden Arzt ausgelöst werden können, der bei der Behandlung der Platzwunde am Kopf, den „sie“ sich zugezogen hat, als sie nach der Session im Endorphinrausch mit den High-Heels umknickte, zufällig auch die Striemen auf ihrem Rücken sieht, die nicht vom Sturz herrühren können – geraten, möglichst offen und kooperativ zu sein. Wenn die Einvernehmlichkeit klar ist und auch, dass die Situation vor allem auf Betreiben beider zustande gekommen ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Staatsanwalt, bei dem der Fall dann landet, das Verfahren niederlegt. Ein Indiz dafür kann für Streifenpolizisten, die am Ort des Geschehens auftauchen, auch das „szenetypische Ambiente“ sein, das durch Präsentation der üblichen Utensilien, des Spielschrankes usw… belegt wird. Schwieriger wird es, wenn alles sauber verstaut ist, jedoch der Verletzte blutend am Boden liegt und sich weder rührt, noch etwas sagen kann obwohl er nicht geknebelt ist. Auch andere, naheliegendere Situationen, wurden von Anwesenden dargestellt, so zum Beispiel, wenn „sie“ mit ihrem Sklaven Schuhe einkaufen geht und diesem dazu das Halsband anlegt. Da keine Entblößung statt findet, muss dies – solange der Sklave nicht am Halsband durch die Fußgängerzone gezerrt wird – kein öffentliches Ärgernis darstellen. Falls der Ladenbesitzer sie des Geschäftes verweist, nimmt dieser allerdings sein Hausrecht wahr, dass eine Streife auch im Zweifelsfall mit durchsetzen müsste. Bei „exhibitionistischen Handlungen“ nach § 183 StGB ist die Situation dafür wenigstens für Frauen klar, weil zumindest Absatz 1 sich ausschließlich auf Männer bezieht. Ob eine Situation einvernehmlich ist oder nicht, stellt nach Aussage des Vertreters der Polizeidirektion Waiblingen, keine Spezifikation aus dem SM-Bereich dar –bei allen Delikten, rund um das Thema „Vergewaltigung“ ist dies relevant. Die Schwierigkeit besteht regelmäßig darin, mangelnde Einvernehmlichkeit zu belegen, in einer Situation, an der nur zwei beteiligt waren und folglich „Aussage gegen Aussage“ steht; wie auch an den Fällen „Kachelmann“ oder „Strauss-Kahn“ zu sehen ist. Angesichts des großen Interesses, der großen Zahl Anwesender und der guten Vorbereitung unseres Gastes, musste das Gespräch dann beinahe abgebrochen werden. Es schien so, als hätten alle noch sehr gerne weiterdiskutiert, was vielleicht bei anderer Gelegenheit nachgeholt werden kann.
Gemeinsam herauszuarbeiten wäre sicher noch das Spannungsfeld, in dem sich die Beamten in entsprechenden Situationen befinden, als Vertreter der Staatsgewalt, die dafür zu sorgen haben, dass Gesetze eingehalten und umgesetzt werden, doch weder für das Erlassen der Gesetze an sich verantwortlich sind – denn dies wird in der Politik entschieden – noch für die letzte Entscheidung, ob diese übertreten wurden oder nicht – denn dies liegt bei den Juristen, Richtern, Staatsanwaltschaften. Eine Folge der guten, rechtstaatlichen Gewaltenteilung, aber ein Spannungsfeld für betroffene Bürger und die Polizei. Der Kontakt zur Polizei ist jedenfalls geknüpft und geht von dort aus weiter, da uns der Präventionsbeamte empfahl, uns auch an den Beauftragten für Sexualisierte Gewalt im Landkreis zu wenden.
*) Beim Schreiben dieser Rückschau, erläuterte mir der Kriminalbeamte dazu noch mit einem Kommentar zum betr. Gesetzestext: "Bemühungen des Täters unentdeckt zu bleiben sprechen regelmäßig gegen einen solchen direkten Vorsatz." und "Wer aus Sicht des Anzeigeerstatters dies etwa in einschlägigen Lokalen oder Parks mit bekannten nächtlichen Aktivitäten feststellt, verdient keinen Strafrechtsschutz, auch wenn ihm die konkrete Wahrnehmung ein Ärgernis bereitet. (z.B. bekannter Treff auf einem Parkplatz)" Es gibt bei diesem Delikt nur ca. 1000 Verurteilungen pro Jahr bundesweit gegenüber 6000 Exhibitionisten. (Letztes Jahr 5 Fälle im RMK, davon 4 aufgeklärte Fälle). Aber unterhalb der Straftat gibt es als "Auffangtatbestand" die Ordnungswidrigkeit des § 118 OWiG: Belästigung der Allgemeinheit mit einer grob ungehörigen Handlung (gegen Anstand und Sitte), hier sind als Beispiele der Rechtssprechung aufgeführt: Schamloses Betasten eines Dritten in der Öffentlichkeit; öffentlicher Striptease. Auf diesen Vorwurf steht Geldstrafe, kann auch in Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden. Die polizeilichen Maßnahmen sind aber genauso wie bei der Straftat. Wichtig für alle Zuhörer ist die Botschaft: es kann ein Verstoß vorliegen und der Polizeibeamte muss vor Ort prüfen, welcher Tatbestand (seiner Bewertung nach) erfüllt ist und danach seine Entscheidung abgestuft treffen, von bloßer Personalienfeststellung mit Platzverweis oder vorläufige Festnahme zwecks Mitnahme zur Dienststelle und Vernehmung als Beschuldigter / erkennungsdienstliche Behandlung etc....

Veranstaltungsdaten:

Datum: 26.08.2011
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de