Switchen - geht das? Und wenn, dann wie?


Wenn man sich so umhört scheinen Switcher eine häufig belächelte Spezies im BDSM-Urwald zu sein. So nach dem Motto: Denn sie wissen nicht, was sie wollen. Oder: Dömchen, wechsel dich. Womit ausgedrückt werden soll, dass Switcher ja nicht so richtig ernst zu nehmen sind. Sie seien weder ‚richtig’ Dom noch ‚richtig’ Sub, oder aber anstrengend, würden ständig kämpfen wollen und dergleichen mehr.
Diese nur gering überspitzt formulierten Aussagen zeigen: Switchen, geht das? Ja, klar. Es gibt viele, die den Rollen- oder Seitenwechsel auf die eine oder andere Weise praktizieren. Deshalb wollen wir uns den weitaus interessanteren Fragen widmen: Wie geht das – oder kann das gehen – mit dem Switchen? Ist es damit getan zu sagen: Heut bin ich aktiv und hau dich – oder gehört mehr dazu? Wie gestaltet sich der Rollenwechsel, abhängig davon, ob man mit demselben oder mit unterschiedlichen Partnern switcht? Welche Auswirkungen kann das auf die jeweilige Beziehung haben? Oder woran kann es liegen, dass sich der eine oder die andere so gar nicht vorstellen können zu switchen – welche Ängste oder Befürchtungen sind vielleicht vorhanden? Immerhin gibt es auch Stimmen, die behaupten, dass in jedem BDSMer beide Seiten vorhanden wären. Warum ist dann nicht jede/r Switch? Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch! Und vielleicht gelingt es uns im Verlauf des Abends auch, mit dem einen oder anderen Vorurteil aufzuräumen.

Rückschau

Etwas anders als gewohnt begann für die 18 Teilnehmer/innen der Abend im Gesprächskreis SundMehr: Am Eingang lud eine mit diversen „Neigungen“ beschriftete Schubladenbox die Teilnehmenden ein, sich ihren SM-Neigungen entsprechend mit kleinen, bedruckten Etiketten zu versorgen: ‚Sadistisch’, ‚Masochistisch’, ‚Devot’, ‚Dominanant’, ‚Switcher’ und manches mehr von den allgemein-üblichen Selbstbezeichnungen (oder Zuweisungen?) war in den Schuladen zu finden. Mit Hilfe dieser Etiketten fiel es nicht schwer, schon bei der Vorstellungsrunde in das Thema einzusteigen: Hat nicht in SM-Kreisen das sonst so verpönte „Schubladendenken“ um sich gegriffen? Und doch: Man denkt, fühlt und lebt seinen Neigungen gemäß, wird in dieser Rolle wahrgenommen und wenn es gut geht, auch akzeptiert. Wegen einiger ‚dussliger Dummdoms’ habe sie, so eine anwesende Dame, ihre devote Seite zunächst begraben und Dominanz ausgelebt. Heute „brauche ich das Switchen nicht mehr“. Ein Herr meinte, dass er nicht ‚unten’ spielen könne, wie einige Versuche gezeigt hätten. Das würde nur zu Frustration für den dominanten Part führen. Was aber, wenn sich zwei Seelen in der eigenen Brust schlagen, wenn die Neigungen sich erheben und die Lust ‚auf beiden Seiten’ sich verausgaben mag?
„Früher war ich Sub, heute bin ich Top! – Ist das schon switchen?“ fragte ein Teilnehmer und eine andere meinte schmunzelnd: „Wenn ich einen schönen Männerarsch sehe, muss ich draufhauen. – Ist das Switchen?“
Diese Fragen ließen wir zunächst offen und wandten uns der Frage zu, wie der Wechsel von einer Seite zur anderen denn vonstatten gehen könne. Ein Teilnehmer meinte, es sei klar, dass die Rollen bereits vor einem Spiel festgelegt seien. Während zwei andere von lustvollen Kämpfen ums Recht (oder die Arbeit?) aktiv zu sein berichteten. Die nächste meinte, sie könnte auch innerhalb einer Session die Seiten wechseln, wenn ihr Partner die Zügel nicht fest genug halte. Sie mache es jedoch nicht, weil er sich damit schwerer täte als sie - und sie ‚dem Dom das Spiel nicht kaputt machen’ wolle. Switchen sei Machtkampf, hieß es, jedoch mit meist eindeutigem Ergebnis, dass einer dominant, aktiv sei und das Sagen habe. Das sei dann eine klare Sache, kein Wischiwaschi. „Der andere unterwirft sich, er tut das für mich.“
Ein switchender Teilnehmer sprach von seinen beiden Seiten als dem Standbein (dom/sad) und dem Spielbein (dev/maso), was für ihn keine Abwertung sondern die Feststellung beinhaltete, dass die dominante Neigung stärker ausgeprägt ist, ihn aber gleichwohl auch Erfahrungen auf der passiven Seite reizen. Überhaupt sprachen die vier anwesenden bekennenden Switcher lieber von ‚aktiv’ und ‚passiv’ als von dominant/sadistischer oder devot/masochistischer Rolle.
Schwer fiel einigen nicht-switchenden Anwesenden die Vorstellung, dass so ein ‚Kampf’ ums aktive Recht wirklich lustvoll, prickelnd oder sogar luststeigernd sein kann. Eine Teilnehmerin meinte, das wäre für sie irgendwann nur noch nervig und lustkillend. Aber selbst dann, wenn beide Partner aktiv gleich stark sind und so kein ‚Sieger’ ausgemacht werden kann, endet es nicht in Frust, wie ein Paar betonte. „Dann gibt es eben gleichberechtigten, etwas härteren Sex.“ Aber auch die andere, passive Seite kann das Geschehen prägen: Durchaus sei manchmal das submissive Fühlen stark bestimmend, das Bedürfnis, gesenkten Kopfes vor dem Partner zu knien. Daraus könne sich ein intensives Miteinander ergeben. Schwieriger wird es eventuell, wenn beide Partner eher hingebungsvoll, devot empfinden. Aber selbst dann sei Kuschelsex möglich und es kämen wieder andere Zeiten, in denen es mit der Neigungspolarität passt oder ausgefochten werden kann.
Oftmals ergebe sich die Rollenverteilung aber bereits von allein. Entweder, weil darüber gesprochen wurde oder weil man sich so gut kennt, dass man kleine Zeichen und Andeutungen des Partners zu deuten und aufzunehmen wisse. Dies kann durchaus auch im Alltag, beim gemeinsamen Kochen oder Küche aufräumen geschehen. Jemand umschrieb es als einen ‚Prozess des Auslotens: Was geht grad?’, ein Wechselspiel des gegenseitigen Zeigens und Einforderns, in dem dann jeweils die Rollen bestimmt werden.
Dem oftmals erhobenen Vorwurf, ein Switcher wisse (noch) nicht, was er wolle, entgegneten die anwesenden Switcher mit einem klaren ‚Nein! Wir wissen, dass wir beides wollen!“ Sicher gibt es auch diejenigen, die über das Switchen ihre eigentliche Neigung suchen. Doch ist dies nicht verallgemeinernd zu behaupten.
Eine Teilnehmerin sagte von sich, sie hätte von Beginn ihres BDSM-Lebens an gewusst, dass sie Switcherin sei und hätte nie auf das Ausleben einer Seite verzichten wollen oder können. Wie der Neigungswechsel in ihr vonstatten gehe verdeutlichte sie am Bild einer ‚Wippe’. Jede Seite des Holms sei eine Neigungsseite. Manchmal stünde sie in der Mitte der Wippe, dann sei es leicht, von einer Seite zu anderen zu gelangen und auch ihr Partner könne sie leicht in eine der beiden Rollen bewegen. Manchmal aber sei sie gefühlsmäßig tiefer in einer Rolle, also weiter auf einer Seite der Wippe – dann sei ein Seitenwechsel schwerer, sowohl für sie als auch ihr Partner brauche dafür mehr Überzeugungskraft.
Im Verlauf des Gespräches stellte sich heraus, dass häufiger von ‚wer darf wen hauen?’, ‚wer kriegt Haue’ die Rede war und so warf jemand die Frage auf, ob switchen im sad/maso-Kontext leichter bzw. häufiger sei als im D/s-Bereich. Nach einer SM-Session kehrt wieder der Alltag ein, in dem SM keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Genau das aber – dass das Machtgefälle auch im Alltag spürbar wird - fordere der dominante Part einer D/s-Beziehung ein. Wer seinem Partner immer ‚Herr/in’ sei, könne mit kontinuierlicher Arbeit an Regeln und Hingabe tiefere Gefühle erreichen als wenn er nach einer Switch-Situation quasi jedes Mal wieder bei ‚Null’ anfangen müsse. Ein Paar, das in ihrem Alltag D/s-Beziehung lebt, stellte fest, dass selbst nach Phasen stärkerer beruflicher Belastung, in der D/s eine geringere Rolle spiele, in der Intensität zurückgegangen werden müsse. Daraus zogen sie den Schluss, dass dies bei einem Wechsel der Rollen erst Recht und noch stärker der Fall sein müsse.
Dem schlossen sich die Anwesenden weitgehend an. Obwohl eine switchende Teilnehmerin meinte, in einem abgesteckten Rahmen, durchaus auch über Stunden oder Tage, könne bei ihnen ein Machtgefällt hergestellt werden, das nicht zu kippen sei und in dem auch tiefe Gefühle erfahrbar werden. Verhauen sei zwar eher eine technische Sache und daher einfacher, aber dennoch sei viel Tiefe möglich, je länger man sich kennt, desto eher und leichter.
Kann man dem anderen zuliebe zum Switcher werden, fragte einer der Anwesenden. Wenn die Neigung nicht wirklich vorhanden sei, wäre das schwierig, so die Antwort. Liebe könnte evtl. die Bereitschaft geben, die andere Seite auszuprobieren. Aber zumindest eine innere Bereitschaft, die Rolle auszufüllen, ein eigenes Interesse zum Ausprobieren müsse vorhanden sein, sonst würde es sich auch für den Partner nicht gut anfühlen.
Nicht eindeutig beantwortet werden konnte die Frage, welcher Part (aktiv oder passiv) am meisten leisten muss. Auch längeres Überlegen und Abwägen der körperlichen und seelischen Ebene brachte kein klares Ergebnis. Zwar meinte eine Anwesende, sie sei auf der passiven Seite nach dem ‚Fliegen’ ‚fix und fertig’, auf der aktiven Seite kenne sie dieses Gefühl nicht. Und aktiv würde man sich körperlich durchaus verausgaben. Doch könne das nicht miteinander verglichen werden. Es sei eine zu unterschiedliche Gefühlslage. Letztlich, so stellte jemand augenzwinkernd fest, könne man als Switcher nur gewinnen, denn wenn einem als Aktiven die Hand vom Schlagen weh täte, könne das die eigene Maso-Seite immer noch zu erotisieren versuchen.
Abschließend äußerten mehrere, dass sie froh seien über den Themenabend, weil sie selten so umfassend etwas über „Switchen“ erfahren hätten. Auch wenn man die Gefühlslage von Switchern nicht nachempfinden oder nach wie vor switchen für sich nicht vorstellen könne, so könne man doch besser verstehen, was Switchen und Switch-sein bedeuten.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 27.04.2012
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de