Wer mit tiefen Gefühlen spielt, sie auch inszeniert und bewusst hervorruft, kann damit umgehen, sollte man meinen. Kinderspiel für uns, wenn es sich um die Kombination von Lust und Schmerz handelt. Und natürlich kennen wir die Grenze der Inszenierung an der es noch Spaß macht, zu leiden – solange aus dem Spiel keine Wirklichkeit wird.
Gerade bei intensiven Beziehungen ist der Verlust eines Partners für den anderen oft besonders schwer zu verkraften, und unter Sadomasochisten wird oft beteuert, wie intensiv die Beziehung ist.
Wird Tod und Verlust eines Partners hier also besonders leidvoll erfahren?
Wie gehen wir als betroffener oder als derjenige, der es mitbekommt, damit um?
Der Umgang mit Trauer ist höchst individuell: Während der eine dies eher mit sich alleine ausmachen will ist es für andere besser, sich einem anderen anzuvertrauen. Beißt sich das Thema nicht mit all den lustbetonten Aspekten des Lebens, mit denen wir uns auseinandersetzen?
Hilft die Session weil sie tröstende Nähe schafft, oder verschwindet alles Bedürfnis nach Lust in der Traurigkeit? Und wenn es hilft, mit der eigenen Traurigkeit verstanden zu werden, was sagen wir dann dem Pfarrer, Seelsorger oder anderen mitfühlenden Mitmenschen, wenn nach der Beerdigung die Frage aufkommt, woher wir den Verblichenen kennen? Würden wir uns wagen, das Thema einzubringen, wenn wir finden, dass es gut wäre, mit jemandem darüber zu sprechen, warum die Beziehung für uns so intensiv war? Oder trennen wir da schnell – setzen die Diskretionsmaske über die Tränen und erzählen was anderes? Beschäftigen wir uns überhaupt schon mal zwischendurch mit dem Thema oder tabuisieren wir es lieber?
Trauen wir uns zu trauern? Nicht zuletzt – bedeutet ja nicht nur Tot einen Verlust, sondern auch Trennung, wozu es ja Erfahrungen en Masse gibt. Gibt es hier Parallelen?
Wir freuen uns, dass Jens Peter Schmidt, Trauerbegleiter aus Kernen und mit dem Thema SM bislang gänzlich unvertraut, an diesem Abend zu Gast sein wird; nicht als „Bescheidwisser“, sondern um mit uns nach einem kurzen Einstieg in die Thematik ins Gespräch zu kommen.
Um sich über den Umgang mit Trauer auszutauschen, trafen sich 16 TeilnehmerInnen am 28.09.12 zum Gesprächskreis SundMehr. Als Gast war der Kernener Trauerbegleiter Jens-Peter Schmidt (http://www.wege-durch-die-trauer.de/) anwesend, um von seiner Arbeit zu erzählen und mit den Anwesenden ins Gespräch zu kommen.
Dass das Thema für viele an Tabus, Wiederstände oder eigene schmerzliche Erlebnisse stößt, zeigte sich vielleicht daran, dass einige Teilnehmer, die zum festen Kern zählen, dem Treffen ferngeblieben waren – dass aber am Gespräch über das Thema besteht wurde durch die Anwesenheit einige ganz neuer Besucher, sowie sehr seltener Gäste bestätigt.
Bei der Vorstellung seiner eigenen Person berichtete der Trauerbegleiter zunächst von eigenen Erlebnissen in seiner Biographie, die ihn veranlasst hatten, nebenberuflich eine klinische Seelsorgeausbildung zu absolvieren, um anderen zu helfen, mit ihrer Trauer möglichst gut umzugehen. Wichtig sei ihm dabei ein möglichst offensiver Umgang damit, erläuterte Schmidt. Starre Friedhofsordnungen, der Zeitplan des Bestatters, die dann knapp bemessene Vorbereitungszeit für Angehörige und Betroffene sei für ein gutes Abschiednehmen eher negativ. „Trauer ist im Grunde genommen das gleiche Gefühl, wie Liebe – sie hört nie auf“ erläuterte Schmidt, was jedoch von der Umwelt oft nicht verstanden wird. Damit jemand durch die Trauer findet, sollte der Prozess des Abschiednehmens höchst individuell gestaltet werden.
Schwierigkeiten machte auch einigen die Suche nach Parallelen zwischen der Trauer durch Trennung oder der durch Tod. Eine Trennung kann Teile von Problemen lösen, meinte Schmidt, der sich bezüglich dieses Teils der Thematik, wie auch bezogen auf SM selbst nicht als sehr kompetent empfand, jedoch die Anwesenden dazu aufforderte, dann selbst den Gesprächsfaden in die Hand zu nehmen. Sofern eine Trennung nicht mit stärksten Wutgefühlen einher geht, die weitere Verletzungen aufwerfen, könnte ein Unterschied darin bestehen, dass eine Option auf eine spätere Klärung offen gebliebener Fragen bleibt – während beim Tod der geliebte Mensch „einfach weg“ ist. Oft habe man mit dem Partner ja auch einen großen Teil des Alltags geteilt, was dann den Hinterbliebenen stark auffällt und die Trauer befördert.
Dass Trauer bei Sadomasochisten besonders intensiv sei, könnte nach Ansicht eines Teilnehmers auch daran liegen, dass die betreffenden ja gerade bei dieser Neigung besonders froh sind, jemand passenden gefunden zu haben. Die Möglichkeit nochmals im Leben so einen Menschen zu finden sei dann ja besonders schwer und würde den Verlust besonders spürbar machen. Doch Trauer wird immer subjektiv erlebt und Vergleiche sind hier kaum möglich. Aus seiner Erfahrung bei der Trauerarbeit berichtete der Gast durchaus von anderen Partnerschaften, in denen seiner Kenntnis nach SM keine Rolle gespielt hatte, die aber besonders vom Verlust getroffen waren, weil es so viele gemeinsame Interessen, so viel Passendes gegeben hatte.
Eine ganz frisch betroffene Teilnehmerin, berichtete von ihrer sehr intensiven, nicht mal lange dauernden Spielbeziehung, in der sie sich so gut wie noch nie aufgehoben fühlte und zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Urvertrauen gefunden hatte, ergänzte dabei aber, dass dies eben nicht allein an SM, sondern an den vielen Facetten lag, die sie wahrgenommen hatte, wissend, dass sie den Betreffenden noch gar nicht in seiner Gesamtheit kannte. Letztlich hatte sie sich weder auf der offiziellen Trauerfeier, noch einem Gedenken mit anderen befreundeten SMern am richtigen Ort gefühlt, weil immer etwas fehlte.
Das Gespräch kam so auf die Frage, wie eine Trauerfeier gut zu gestalten sei. Ein Teilnehmer berichtete von einer Beerdigung eines Bekannten, der in aller Diskretion SM-Neigungen ausgelebt hatte. Als dann dessen Freunde im SMigen Outfit zur Beerdigung erschienen, hatte dies natürlich für Aufsehen gesorgt. Es kam die Frag auf, ob SMer sich selbst noch im Tod ausgegrenzt fühlen sollten. Eine Trauerfeier findet vor allem für die Zurückgebliebenen statt, denn der Verstorbene hat davon ja nichts. Jedoch, so Schmidt, bringt eine Trauerfeier, die den Verstorbenen nicht abbildet, wenig Trost.
„Wenn jemand SM in aller Diskretion lebt, kann man ihn aber auch mit dieser Thematik diskret verabschieden“, fand eine andere Gesprächsteilnehmerin. Eine gewisse Spannung entstünde natürlich durch eine starke Durchmischung des Umfeldes, mit Interessengruppen, die wenig Verständnis oder Toleranz für die jeweils andere Erfahrungswelt besitzen.
Eine Lösung bestünde also durchaus darin, mehrere Trauerfeiern zu gestalten, auch informell. Ein gelungener Abschied müsse jedoch nicht auf dem Friedhof stattfinden – es könnten auch andere Trauerorte, wie Lieblingsplätze oder gemeinsame Lieblingssituationen genutzt werden, bestätigte dann der Trauerbegleiter. „Tränen müssen und sollen dann ruhig fließen, das ist gut!“ Richtig gefreut hatte ihn dann die Schilderung einer anderen Anwesenden, die am Grab ihres Vaters mit anderen Geschwistern jeweils einen Schluck von dessen Lieblingsbier genommen hatten, um den Rest auf das Grab zu entleeren, dies mit seinen Zigaretten ergänzten, wie auch einigen Nacktbildchen, die in dem Urnengrab beigefügt wurden, was viel besser war, als die zuvor stattgefundene sterile Trauerfeier zur Feuerbestattung. „Ihr richtet euch doch bei der Ausübung eurer Vorlieben auch nicht nach dem, was andere denken,“ meinte Schmidt, und machte damit Mut, zu einem ganz offensiven Umgang, bei der Gestaltung von Trauersituationen – bei der es durchaus einigen Spielraum gäbe – Tricks eingeschlossen.
„Der Tod ist der Lehrmeister des Ungehorsams“, zitierte er den Bestatter Fritz Roth. Jedoch bräuchten Trauernde in entsprechenden Situationen regelrecht einen Coach, der ihnen hilft, trotz Schmerz und Betroffenheit der oft unmenschlich regelungswütigen Umwelt Paroli zu bieten. Schließlich ist ihnen ja die oder der Liebste verstorben. „Den eigenen Tod stirbt man – den Tod der anderen müssen wir erleben“, zitierte er die deutsch-jüdische Lyrikerin Mascha Kaleko.
Halb offen blieb die Frage nach der Bezahlung, denn finanziert wird Trauerbegleitung, wenn es sich nicht um Notfallseelsorge handelt, von keiner Krankenkasse. „Wie macht das denn die alte Witwe, die kaum mit ihrer knappen Rente rumkommt?“ wurde gefragt, was sicher Trauerbegleiter ganz unterschiedlich handhaben. Schmidt kommt es da entgegen, dass dies ja nicht sein Haupteinkommen sei, darum könne er auch Leute mit geringem Einkommen begleiten. Er wolle nicht, dass das nur eine Möglichkeit ist, für Leute, die es sich auch leisten können.
Als Hinweise, wie man als „Umfeld“ mit so Situationen umgehen kann, gab Schmidt den Tipp, dass man über die Angst, etwas falsch zu machen, hinweg gehen sollte. Das falscheste ist wohl, den betroffenen gerade dann, wenn sie es brauchen, keine Nähe zu geben, die Trauernden zu meiden. Auch die Aussage „wenn was ist, ruf mich an“ wäre überflüssig – denn die Betreffenden würden nicht anrufen. Besser sei es, selbst die Initiative zu ergreifen und dann einfach zuzuhören, selbst wenn sich Themen wiederholen. Doch auch der Wunsch, nicht darüber zu sprechen, sei zu respektieren. In der Regel kämen die betreffenden dann da wieder raus, sofern jemand seinen Schmerz nicht ganz abspaltet und gleich in eine Depression abgleitet. Das wichtigste sei einfach erst einmal die reine Präsenz, das erlebe er auch als Notfallseelsorger. Im ersten Moment wären hier ja auch keine großen Worte gefragt, sondern ein Schluck Wasser, die Hand, ein Taschentuch…
Es bleibt, Jens-Peter Schmidt für diesen spannenden, interessanten Abend zu denken, an dem die Gesprächskreisteilnehmer zwar als SMer, aber eben weniger über SM sprachen. Schließlich soll es im Gesprächskreis eben um mehr als nur SM gehen, darum der Name.
Datum: | 28.09.2012 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
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Anfahrt über B 14/B29: Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS |
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