Mit Draufhau'n und Kommandieren ist es bei weitem nicht getan, wenn jemand seine dominante Ader sadomasochistisch ausleben will. Damit BDSMiges Tun möglichst viel Lust macht, ist sicher neben beiderseitiger Einvernehmlichkeit die Fähigkeit der Akteure, sich auf einander einzulassen die größte Voraussetzung.
Doch klingt es auch immer so, als müsse vor allem der "passive" Partner sich in die Situation fallen lassen können, denn der "Aktive" muss ja sein volles Bewusstsein einbringen, um die Reaktionen seines Gegenüber richtig einschätzen und berechnen zu können. Und will er nicht nur Dienstleister sein, sonder auch selbst sein Vergnügen haben, sollte auch er sich emotional der Situation öffnen. Ein Spagat, zwischen Bewusstsein und Emotionalität, der nicht leicht klingt und allem lockeren Lusterleben zu widersprechen scheint. Die armen Tops! Es sollte Studiengänge geben, wo sie ihre Passion erlernen und so die entsprechenden praktischen und mentalen Kompetenzen erwerben können!
Oder ist das übertrieben? Reicht es nicht doch, seiner Sehnsucht nach Macht über einen Menschen zu folgen, Forderungen zu stellen, gegebenenfalls etwas herumzudemütigen? Genügt Dominanz oder braucht der Top, der was auf sich hält, doch auch BDSM-Kompetenz?
25 Besucher kamen am 30.08.2013 zum Thema "Dominanz oder BDSM-Kompetenz" in den Gesprächskreis SundMehr. Darunter verschiedene Gäste vom Arbeitskreis SM und Christsein, wie auch fünf Interessierte, die zum ersten Mal hier oder überhaupt auf einem SM-Stammtisch waren. Die Hintergründe in Sachen SM reichten vom alten Hasen mit langjähriger Szenekenntnis und 24/7 Beziehung bis zum SM interessierten Teilnehmer, der sich bislang nicht über Computerchats hinaus mit seiner Neigung in den realen Kontakt zu anderen Gleichgesinnten begeben hat.
Die Frage stellte sich schnell, ob es so etwas wie "BDSM-Kompetenz" gäbe, oder ob dies zu sehr nach Volkshochschule klinge. Muss es denn wirklich so kompliziert sein? "Doch! BDSM-Kompetenz betrifft beide", merkte eine Besucherin an und erläuterte, dass dies damit begänne, ob jemand ein Safeword habe und auch in der Lage sei, dies zu benutzen, oder formulieren könne, was er wolle und was nicht.
Die Stellungnahmen waren dann recht unterschiedlich: Angefangen von der Aussage, dass es sich immer um ein Geben und Nehmen handle, bei dem der Dominante die Signale seines Gegenübers, in Form von Gesten und Mimik wahrnehmen und lesen können müsse um den anderen zu verstehen, bis zur als schwierig beschriebenen Situation, die einer mit einer blutigen Anfängerin erlebte. Sie sei mit mehr oder weniger vor Staunen und Erwartung offenem Mund vor ihm gestanden: Da! Mach mal!
War dies BDSM-Inkompetenz, oder Hingabe?
Wichtig war dann einem anderen Teilnehmer zunächst die Begriffsklärung.
"Was bedeutet Dominanz im SM-Bereich? Es handelt sich hierbei nicht um etwas, was man sich aneignen kann. Kompetenz dagegen schon!" definierte er gleich selbst. Dominanz sei aber unabdingbar, für BDSM-Spiele.
Fast vermittelnd wurde dann vorgeschlagen, lieber vom "aktiven" und "passiven" Part zu sprechen. Widerspruch entstand, weil dies grundverschiedene Begriffe seien. Zu Recht wurde die Frage gestellt, was eher submissive Anwesende wohl unter Dominanz verstehen - oder gar: sich ersehnen, weil es sie kickt!
Um jedoch die Begriffsklärung weiter zu treiben, schlug ein weitgereister Gast vor, nach einer Analogie zum Begriff "Autorität" zu suchen, die ja in natürlicher Weise vorhanden, oder geliehen sein kann, wie beim demokratischen Staat. Bei monarchistischem Denken, wird Autorität vererbt, über das blaue Blut - so wie man in ähnlicher Weise darüber nachdenken kann, inwiefern ein Hang zu dominantem Auftreten genetisch disponiert oder durch Umweltfaktoren oder Training erworben werden kann.
Während die einen über Voraussetzungen für Dominanz, wie Selbstbewusstsein, Reflektionsbereitschaft und Klarheit sprachen, definierten andere Dominanz eher als situativen Zustand, der außerhalb eines SMigen Kontextes aufrechterhalten, eher albern wirke. Für einen anderen war dieser Zustand auch gekennzeichnet, durch die Lust an Grenzüberschreitung, gemessen an gesellschaftlichen Konventionen - aber im Rahmen der Einvernehmlichkeit der Akteure.
Interessant blieb, dass vor allem die 24/7 und DS-lebenden Anwesenden im Gegensatz zu manch anderen schnell bereit waren, ihre Vorstellung von Dominanz zu konkretisieren, wodurch die Diskussion ins kategorische abzugleiten drohte.
Scheinbar vor allem die submissiven Anwesenden hielten sich lange zurück oder kamen vor lauter Erläuterungen auch kaum dazu selbst zu definieren, woraus für sie lustvolle Dominanz besteht.
Tauchte hier eine seitens Doms und Subs unbewusste Rollenverteilung im Rahmen der Diskussion auf?
Es wurde nach weiteren Analogien gesucht, zu Situationen im Arbeitsleben: Ein Chef, der einfach nur Dominant aufträte, meinte ein Teilnehmer, würde für ihn eher in der Ecke "Arschloch" stehen. Andere definierten Führungsqualitäten dann mit Einfühlung, Verständnis komplexer Zusammenhänge, Kompetenz, Achtsamkeit gegenüber anderen, Kreativität - dies könne auch Dominanz zur Folge haben, sei aber positiv konnotiert. Die Erinnerung an den Einwurf der Analogie zur "Autorität" blieb hier aus.
Ein Teilnehmer, mit eher submissiven erotischen Vorlieben, definierte dann, dass für ihn auch ein gewisser Kampf dazugehöre, bei dem er überwunden werden wolle, wodurch dann Macht und Dominanz spürbar würde.
Wichtig sei grundsätzlich aber Vertrauen, merkte jemand anderes an - die Grundlage für alles.
Erobern, unterwerfen, genommen werden, definierte dann wieder einer der alten Hasen, seien für ihn bezüglich SM andere Begriffe für "Vertrauen schaffen", "Hingabe" und "jederzeit für den anderen bereit zu sein".
Naturveranlagte Subs könnten keine starke Dominanz entwickeln, war das Ergebnis seiner Lebens- und SM Erfahrung, woraus sich die für ihn korrekte Überzeugung entwickelt hatte, die aber Widerspruch provozierte, vor allem bei switchenden Anwesenden.
Bei der teilweise recht sprunghaften Diskussion wollte eine Diskussion darüber, was Dominanz an sich ist, nicht richtig aufkommen. Wohl auch angesichts der großen Anzahl der anwesenden, die sich auch zur Mehrheit an der Diskussion beteiligten, kam es eher zum Austausch kontroverser Meinungen.
So wurden gegen Ende auch Vergleiche aus dem Tierreich herangezogen, wo der Begriff der Dominanz außerhalb der SM-Szene auch zu finden sei. Der Begriff sei vom lateinischen "dominare" abgeleitet, was "herrschen" bedeute, erläuterte ein sporadischer Besucher. Wichtig war seiner Partnerin, dass dieser sein Leben und die Dinge um sich herum beherrsche und kein "Schlappschwanz" sei, sonst könne sie sich ihm auch nicht im Bett hingeben. Irgendwann habe sie bewusst nach dominanten Männern als Partner gesucht und diese auch gefunden, wobei sie im Alltag nicht submissiv sei. Gegenüber einem dominant wirkenden Mann, würde ihr aber die Sprache wegbleiben.
Einem anderen dominant agierenden Teilnehmer wurde dann die wiederholte Einteilung in charakterliche Voraussetzungen für Dominanz zu viel: "Wenn Selbstbewusstsein und die Dinge im Griff zu haben, Voraussetzung für erotische Dominanz sind - sind dann die Subs die Looser?" fragte er zu Recht. Und eine andere Aktive warf ergänzend ein: "Ein Sub, der sein Leben nicht im Griff hat, der nicht weiß, was er will und kein Selbstbewusstsein hat, würde mich gar nicht anmachen. Was wollte ich denn von dem?" - "Da kann man ja gleich auf einen Sandsack hauen" ergänzte eine andere.
Wenn dann also der Umkehrschluss charakterlicher Eigenschaften auf die Fähigkeit zur Dominanz entfällt, bleibt übrig, dass egal, ob zwecks Dominanz oder Submissivität jeder Mensch: sein Leben im Griff haben sollte, wissen sollte, was er will, sowie möglichst selbstbewusst auftreten sollte, was dem Ausleben von Erotik dienlich ist.
Somit stand die Diskussion wieder am Anfang: Was ist Dominanz und reicht sie oder braucht man BDSM-Kompetenz; eine Frage, die an diesem Fragen letztlich nicht befriedigend geklärt werden konnte. Festgestellt wurde am Ende allerdings: es hängt von der Beziehung und den Vorlieben der Beteiligten ab ob man in der Beziehung Dominanz und Submissivität entstehen lassen kann - was möglicherweise die meisten bereits ahnten.
Als nach dem moderierten Teil, der mit der üblichen Pause abgeschlossen wurde, die erstmalig Anwesenden gefragt wurden, wie sie die Diskussion fanden, stellte einer ganz am Ende fest, dass auch das Beiwohnen an Gesprächsrunden etwas mit SM zu tun haben könne.
Offenbar tangierte dies dann die Vorlieben der Anwesenden, weshalb sich nur nach und nach einzelne vom plauschigen Teil des Abends verabschiedeten und die letzten erst kurz nach Mitternacht das Lokal verließen.
Datum: | 30.08.2013 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
Ort: | |
Anfahrt: |
Anfahrt über B 14/B29: Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS |
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