Elternschaft und SM - Was sag' ich meinem Kinde?

Auch wer das Klischee von der Familie, als Keimzelle der Gesellschaft nicht überstrapazieren will, wird nicht leugnen, dass Geborgenheit, Vertrauen und Liebe darin eine große Rolle spielen; lernen Kinder doch hier ihr Sozial- und Beziehungsverhalten, am Beispiel wie ihre Eltern mit ihnen und miteinander umgehen.
Besonders relevant ist dann aber wie mit Themen umgegangen wird, die gesellschaftlich kaum in aufgeklärter und akzeptierter Weise repräsentiert sind, wie dies bei SM der Fall ist. Da der Bereich der elterlichen Sexualität, Kinder in fast demonstrativer Weise nicht interessiert, weil die offene Kommunikation darüber sie unangenehm berührt, wird es hier besonders schwierig und es stellt sich die Frage: wie sag ich’s meinem Kinde? Und muss ich es überhaupt sagen? Ob BDSM-Vorlieben einen Teil der subjektiv gelebten Normalität darstellen sollen, oder gerade in der dunklen Ecke der Heimlichkeit am besten gedeihen ist ja schon unter Sadomasochisten umstritten.
Wie gehen wir als Eltern also mit der Materie um? Bringen wir rüber, dass wir „anders“, wenn schon nicht wie die Anderen, aber doch wenigstens wie die Gleichen sind? Oder sollen Kinder am besten gar nichts erfahren von den ganzen dunklen Umtrieben? Suchen wir Ausreden, wenn wir zum Gesprächskreis gehen, oder Lügen wir sie glatt an, wenn es darum geht, woher wir den alten Bekannten XY seit Jahren kennen? Schützen wir unseren Kindern gegenüber unser Intimleben oder wollen wir ihnen die Toleranz nahebringen, die wir selbst uns wünschen – wer weiß, wo unsere Kinder selbst auf Toleranz angewiesen sind?

Rückschau

18 SMer trafen sich am 28.03.14 im Gesprächskreis SundMehr, um sich über "SM und Elternschaft" auszutauschen. Bei den Statements in der Anfangsrunde, ob und was über SM mit den eigenen Kindern kommuniziert werden soll, stellte sich heraus, dass die meisten Anwesenden als Eltern vom Thema tangiert waren. Recht unterschiedliche Haltungen zeigten sich, wobei sich alle Anwesenden einig waren, dass niemand seine Kinder zu SM irgendwie Weise missionieren oder hin erziehen wollte.
Es ging also eher darum, wie offen und ehrlich man zu Kindern sein kann, ob diese Ehrlichkeit notwendig ist und wo Aufklärung ihre Grenzen findet. Dass Kinder Sexualität spielerisch entdecken sollten, ohne einseitig über SM informiert zu werden, war eine der Meinungen, oder "Sie sollten erst Mal ihre eigene, natürliche Sexualität kennen lernen, bevor sie sich für die Unnatürliche interessieren", wie eine Mutter schmunzelnd meinte. "Fragen, die gestellt werden, können ja kindgerecht beantwortet werden", meinte eine andere - dagegen ein Vater: "Kinder und SM gehört strikt getrennt, damit Kinder sich unbeeinflusst entwickeln können."
Doch Kindererziehung bedeutet Einflussnahme. Wenn diese im Sinne einer positiven Heranführung an SM allgemein abgelehnt wird, bleibt es doch sinnvoll, Mut zur Toleranz und zur Freiheit nahezubringen, die eigene Sexualität zu entwickeln, egal, wie diese aussieht. Vor allem die Erfahrungen einiger Teilnehmer mit schmerzhaften Irritationen in der Jugend, hatte sie aus Fürsorge für die Kinder motiviert, diesen vorbeugen zu wollen. Doch ist die Gefahr, hierbei zu weit zu springen, nicht von der Hand zu weisen. "Es ist unmöglich, Kindern SM nahe zu bringen", meinte ein Vater fast beruhigend, "aber Manchmal bekommen die Kinder ja etwas mit!" Fragen könnten dann erläutert werden, aber halt nie über das Interesse hinaus. Besonders hilfreich ist natürlich eine offene, gute Beziehung zwischen Kindern und Eltern, wie eine Mutter sie schilderte: Als sie sich ihren herangewachsenen Kindern gegenüber outete, wollte eine Tochter von der Thematik gar nichts wissen, eine andere zeigte Interesse und der Sohn, dessen Suche um Informationen in der Vergangenheit schon auf eigene BDSM-Erfahrungen schließen ließen, reagierte mit "ach darum kennst du dich so gut aus."
Das Sexleben der Kinder geht die Eltern nichts an, und das der Eltern die Kinder nicht, wurde konstatiert. Als nahe Bezugspersonen sollten die Eltern aber für Offenheit werben - ein Verheimlichen, Belügen und Unehrlichkeit wirkt sich eher negativ auf die Beziehung zwischen Eltern und Kindern aus. Doch ".wenn ich sage, ich gehe zum SM-Stammtisch, wollen die schon gar nichts weiter hören!" war die Erfahrung einer Mutter, der sich andere Eltern anschließen konnten.
Ein kinderloser Teilnehmer, der gerade noch damit umgeht, seine Bedürfnisse zu erkunden und zu sortieren, fand die Situation eher heikel, während der mit 28 Jahren jüngste Anwesende eher davon ausging, dass er, wenn es später mal darauf ankäme, sicher seinen Mund nicht halten könne und davon berichten würde. Eine gewisse Selbstverständlichkeit, wurde auch von anderen begrüßt, denn je selbstverständlicher das Thema angesprochen wird, desto normaler wird es auch rüberkommen, wenn die Frage aufkommt, warum da eine Gerte im Wohnzimmer liegt. "Man muss einfach ein Gespür entwickeln, wann es gut ist, was zusagen, und wann die Kinder nichts darüber wissen wollen", meinte ein Vater. "Aufklärung" scheint angesichts vieler Witze dazu allgemein ein schwieriger Punkt zu sein, und fraglich ist, ob mancher Sadomasochist die Schwierigkeit dann seiner noch immer als anders empfundenen Sexualität zuschreibt, und sich vielleicht noch ein Mangel an der Akzeptanz der eigenen Bedürfnisse darin niederschlägt. Wenn die zwölfjährige Tochter dem Vater bei seinen Erläuterungsversuchen ins Wort fällt, weil sie "das mit den Bienen" schon weiß, aber wissen will, was eigentlich "ein Orgasmus" ist, mögen sich manche Eltern schon überfordert fühlen - wieviel mehr noch, bei der Frage, warum es Spaß macht, sich schlagen zu lassen, oder jemanden zu demütigen, den man liebt.
Wenn Kinder Zeuge der Sexualität der Eltern werden, schockiert sie dies - auch wenn von Akzeptanz und Grundwissen bezüglich SM ausgegangen werden kann, wie ein Teilnehmer berichtete: Die bereits in einem Pflegeberuf tätige und bezüglich SM informierte Tochter wurde gebeten, der Mutter eine Spritze zu geben, die diese aufgrund einer chronischen Erkrankung benötigte. Als dabei blaue Flecken erkennbar waren, fuhr sie den Vater empört an, ob er "spinne", "nicht mehr ganz dicht sei, die Mutter so zuzurichten" usw.
Auf allgemeine Empörung stieß ein Fallbeispiel, das ein Besucher andern Orts erlebt hatte: eine Mutter hatte geschildert, keine Rücksicht darauf nehmen zu wollen, ob ihre Kinder etwas miterlebten, weil sie nun endlich ihre sexuelle Ausdrucksform gefunden hatte. Fast stolz hatte sie als Beleg ein juristisches Schreiben gezeigt, aus dem hervorging, wie realistisch die ihre Schilderungen waren - weil Schwierigkeiten mit dem Jugendamt die Folge waren, aufgrund einer Anzeige durch die älteste Tochter. Die Frage, wie man mit so einer Situation umgehen sollte, wenn man diese mitbekommt, reichte von Bestätigung des sofortigen Gangs zum Jugendamt oder zur Polizei, bis hin zum Vorschlag, das Gespräch nicht nur mit den Eltern, sondern notfalls auch mit den Kindern zu suchen, wobei dies, von einem Fremden, ebenfalls eine Grenzüberschreitung darstellen könne. "Man steckt in so Situationen nicht drin, darum ist es schwierig, pauschal, aus der Entfernung ein Urteil zu fällen", schloss dann ein Statement das Gespräch ab.
Festhalten ließ sich am Ende, dass eine möglichst selbstverständliche, neutrale Aufklärung den Kindern gegenüber zu unterscheiden ist, von einem missionarischen Drang oder einem exhibitionistischen Einblick in das eigene Intimleben, das ja bis zu einer gewissen Grenze selbst bei einem Stammtisch wie SundMehr unter einem Schutz der Diskretion steht.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 28.03.2014
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de