Das Wort "Intimität" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie: "tief innen, weit entfernt vom Rand". Emotional bedeutet dies, dass wir im Kontakt mit unseren Gefühlen sind, und auch solche zulassen, die wir im Alltag mit anderen eher nicht zeigen. Da wird klar, dass das Geschehen im BDSM sehr intim ist. Und doch gibt es Leute, die eine gewisse Distanz brauchen um es zu spielen und zu leben. Typisch ist vielleicht die "Unberührbare", die immer eine Peitschenlänge Abstand von anderen hält, räumlich und emotional.
Genau betrachtet, ist Distanz ein komplexes Konstrukt:
Sie tritt auf, als Distanz zu sich selbst: "Bin das wirklich ich, der das tut oder ist mein eigentliches Ich ganz anders?" Aber auch als Distanz zum Partner, wenn man ihn nicht an sich heran lässt, ihn als Objekt betrachtet. Sogar als Distanz zu BDSM selbst, das einen faszinierend anzieht und gleichzeitig abstößt, kann sie auftreten.
Aus all dem ergeben sich Fragen die an diesem Abend zur Diskussion stehen können:
Dient Distanz dazu, nicht ganz dem Sog des BDSM zu verfallen? Oder schützt sie den Partner, weil man mit ihrer Hilfe sicher agieren kann?
Welche Art von Beziehungen legen den Grundstock zum Aufbau zur Distanz und wie lässt sie sich langfristig steuern?
Wer hat mehr Interesse an Distanz, Top oder Sub? Und wie empfinden sie beide? Führt Distanz bei BDSM-Spielen wieder dazu, dass Kontakt vermieden wird und Begegnung vom tiefen Inneren wieder zum Rand, zur Oberfläche geht?
Wann ist sie gut für den Umgang miteinander und wann zerstört sie die Erotik? Kann man sie steuern und mit ihr spielen?
10 Männer und 8 Frauen mit Interesse an sadomasochistischer Erotik trafen sich am 25. Mai im Gesprächskreis SundMehr um sich über das Thema "Distanz in Beziehung und Spiel" auszutauschen.
Das Distanz besonders wichtig sei, bei erotischen SM-Spielen mit anderen, als dem eigenen Partner, war ein erstes Statement im Rahmen der Vorstellungsrunde; gerade bei einem SMigen One-Night-Stand (siehe letzter Abend). Dass Nähe und Distanz sehr gut bei einer SM-Session kombiniert werden konnten fand die nächste Anwesende und ihre Nebensitzerin ergänzte, dass für sie Erotik und Geheimnis sehr viel miteinander zu tun hätten, wozu auch Distanz gehöre - eine Äußerung die in Varianten immer wieder auftauchte. Andere bevorzugten diesen Aspekt nicht, weil sie sich nach distanzloser Nähe sehnten. Auch, dass gerade auch in räumlicher Hinsicht Distanz einen besonderen Vorzug darstellen könnte, wurde mehrfach genannt. In Varianten doppelten sich auch Statements, die beschrieben, dass Distanz beim Erstkontakt, wenn man sich noch nicht so gut kennt, das Kopfkino anregt, selbst wenn später doch alles ganz anders kommt, als man es sich ausgemalt hat. Sie mache neugierig und sei besonders in Verbindung mit Nähe spannend.
Distanz müsse nicht immer etwas mit Erotik zu tun habe, fand eine Teilnehmerin -wenn der Partner ständig in der Nähe sei, kann es besonders in langjährigen Beziehungen schwierig sein, Distanz aufzubauen, wenn man viel voneinander weiß. Einen besonderen Reiz stelle Distanz führ ihn dar, wenn sie nicht aus Desinteresse, sondern aus einer interessierten Beobachtung des Objektes, mit dem Gespielt wird, gespeist ist, meinte ein Teilnehmer.
Wenn auch so schon die Spannung zwischen Nähe und Distanz angesprochen wurde, sollte der Tenor des Abends auf dem Aspekt "Distanz" bleiben, um sich der "Nähe" gesondert am nächsten Abend zu widmen.
Die offene Diskussion wurde eröffnet, mit der Rückfrage zu einem Eingangsstatement, wie es funktionieren könne, dass einerseits jemand bekommt, was er will, wenn er es sage und andererseits auch nicht viel erklärt werden müsse. Es wurde festgestellt, dass doch irgend eine Kommunikation statt gefunden haben müsse, um ein erstes Bild vom anderen zu bekommen, in dessen Raumen man das Geheimnis der Erotik entfalten könnte. Dass Distanz für Top und Sub wichtig sein kann, wurde im weiteren Gesprächsverlauf festgestellt. Dabei kann es vor allem für die auf aktiver Seite spielenden ein wichtiges Instrument sein, jemanden auf Distanz zu halten - im Rahmen eines Dominanz und Submission Settings. Einige Anwesende gaben zu, dass die Distanz in langjährigen Partnerschaften geringer werden könnten, was die Möglichkeiten zum Spiel einschränkt. Als Erklärung dafür, wurde von einer Anwesenden dargelegt, dass man ja z.B. ein ganz blödes Wochenende mit dem Partner vor sich hätte, wenn bei einem Spiel etwas schief ginge. Das Risiko für Verwerfungen, die dann auch noch in räumlicher Nähe gemeinsam durchlitten werden müssen, steigt also. Sie habe am Anfang einer Beziehung auch berauschende SM-Sessions gehabt, sagte die Teilnehmerin, die die Hypothese vorgeschlagen hatte. Dennoch fand sie es mit den Jahren auch immer schwieriger - wenn auch möglich - die Erotik so geheimnisvoll zu machen, dass sie für beide als berauschend erlebt wurde.
Ging es hier um Distanz, die aus der Tatsache resultiert, dass der andere noch unbefleckte Projektionsfläche für die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ist? In der Ersten Nacht, musste sich die Beziehung ja noch nicht sehr bewähren - und viele enttäuschende Erfahrungen konnten noch gar nicht gemacht werden...
Ein anderes förderliches Mittel für die Herstellung von Distanz bestand für einen Teilnehmer aus dem Ambiente, einschließlich der Bekleidung. Springerstiefel und martialisches Outfit, am besten noch in passender Umgebung, transportieren ja an sich schon eine Botschaft. Doch ohne das entsprechende Auftreten nutze dies alles nichts, wurde von einer Anwesenden eingeworfen und mit der Beschreibung ergänzt, sie habe schon völlig Nackt jemanden beim Spiel dominiert, sodass die Rollen klar waren.
Distanz stellte sich hier als eine Zutat von Macht heraus - passt es doch gut auch zu Aspekten des eingesperrt-werdens oder verlassen-seins. Distanz kann beim Aktiven Macht erzeugen und beim Passiven Ohnmacht. Letztlich jonglierten beide das jeweils erwünschte Gefühl. Doch wer steuert es? Voraussetzung sei, dass der Sub diese Macht auch annehme und akzeptiere, meinte jemand.
Ein Teilnehmer wiedersprach hier vehement - konnte er doch mit dem Aspekt der "Macht" aufgrund gegebener Einvernehmlichkeit nichts anfangen und wollte eher auf die entstehende Nähe abheben. Es stellte sich die Frage, ob es empathische Distanz gibt, die sich darin klärte, dass Distanz genau erst dann erotisch würde, wenn sie eben einfühlsam und nicht innerlich unbeteiligt und desinteressiert in Erscheinung träte.
Spannend sei auf SM-Partys zu beobachten, wie in kürzester Zeit bei wildfremden Menschen der zuerst gegebene Abstand zu sehr großer und intensiver Nähe führt.
Ein Teilnehmer hatte bei sich beobachtet, dass er in aktiver Rolle sich nie von sich distanziert und in Frage stellte. Bei einem Spiel in passiver Rolle, trennte er sich plötzlich von dieser und kippte heraus in dem er seinen devoten Habitus hinterfragte -kniend, vor der Heizung. die Staubmäuse zählend. Es stellte sich die Frage, ob vielleicht eine gewisse Distanzierung von sich selbst zur passiven Rolle gehörte, was aber von der breiten Menge ehre nicht bestätigt werden könnte. Viele passive finden genau dann zu sich und tief in sich hinein, wenn sie das Gefühl haben, durch den distanzierten Umgang in ihrer Rolle sicherer zu werden.
Es zeigte sich ein schmaler Grat: Wenn eine Session nicht schön wurde, kann dies auch zum Aufbau einer Distanz zum eigenen Tun führen, und zur Frage "Was mache ich da eigentlich?" Dass bei einer misslingenden Session aktiver und passiver sich unangenehm von sich selbst distanzieren, zeigt, wie wichtig der bewusste Umgang mit Distanz für beide Rollen ist.
Doch wie baut man sie auf?
Für viele war hier das Auftreten und eine gewisse Art eines Überraschungsmomentes wichtig, sowie die klare Ansage und Definition dessen, was geschehen soll. Gegebenenfalls kann auch die Bekleidung - hoch geschlossen, unberührbar - das Setting unterstreichen. Distanz hat dann viel mit Macht zu tun, weshalb sie vor allem vom aktiven hergestellt werden muss - wenngleich der passive diese Macht auch annehmen und akzeptieren muss. Wenn der Sub auf Distanz zur Rolle des Top geht - und beginnt von unten zu toppen, ist dies nicht gegeben.
Ein Teilnehmer, sah hier im Grunde genommen nur zwei Möglichkeiten, um die Situation zu retten: Entweder weiter spielen und den distanzierten Habitus durchziehen, - mit dem Risiko, dass die Situation ganz kippt oder oder der Chance, dass sie sich wieder einrenkt - oder auf Nähe umschwenken, und die Situation so wieder in die erotische Schiene der Rollenteilung bringen.
Viel zu kurz kam an diesem Abend der Anfangs erwähnte Aspekt der Fernbeziehung, oder der Schwierigkeit, in langjährigen Partnerschaften in denen das Leben auch voll geteilt wird, eine Distanz aufzubauen, sodass eine Session möglich wird - hatten doch viele die Erfahrung gemacht, dass erste Sessions viel intensiver waren, als die, die beim Zusammenleben mit einem Partner möglichen. Da dieses Thema eine eigene Betrachtung verdient, wurde beschlossen, diesem an einen eigenen Abend zu betrachten.
Die Abschlussrunde wurde mit der Frage verbunden, welche Dosis an Distanz jedem gut tut oder was man sonst vom Abend mit nimmt. Viele fanden die Bedeutung von Distanz für sich sehr situationsabhängig. Sinnvoll könnte es sein, auch in andere Räumlichkeiten zu gehen, um Distanz aufzubauen und dem Spiel eine besondere Note zu verliehen. Immer noch blieben einige Anwesende dabei, dass für sie Nähe der wichtigere Aspekt sei, die für wieder andere in emotionaler Form gerade beim Umgang mit Distanz aufgebaut werden könnte. Distanz müsse auch nicht zum Abbruch der Session führen ist aber nur gut, wenn das Interesse der Beteiligten aneinander durch sie nicht versiegt. Sie hat viel mit Macht zu tun - eine emotional abgegrenzte Distanz sei aber immer schwierig. Solange sie nicht auf die Beziehungsebene und den zwischenmenschlichen Bereich umschlägt, sondern als Instrument im BDSMigen Spielzeugkoffer genutzt werden kann, ist sie eher gut.
Datum: | 25.05.2018 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
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