Schmutziges Sprechen über Sex

Beim Kommunizieren über Sex transportieren wir beständig Botschaften, die etwas über unsere Beziehung sagen; wir geben etwas über uns selbst preis, stellen sachlich etwas fest oder apellieren an unser Gegenüber - befehlen sogar. Rein aus Verlegenheit und Ungeübtheit benutzen wir manchmal stark reduziertes Vokabular, schweigen und manchmal verzichten wir wohl auf die vielen Möglichkeiten, nicht die erotischste Wortwahl zu treffen, um nicht wie die Erotikhasen oder -Dominas in der Telefonsex-Werbung zu klingen, sich zu verhaspeln, im Ton zu vergreifen oder sonstige Kommunikations-Pannen zu erleben...
Für beide Beteiligten bietet das Sprechen beim Sex auch viele Möglichkeiten das Kopfkino anzuheizen, zu inspirieren - und auf der Liste scharfmachender Wünsche, steht bei manchem auch verbale Demütigung, wozu auch der sogenannte "Dirty Talk" verwendet werden kann. Oder bedeutet "schmutziges Sprechen" nur, die Dinge beim klaren Namen zu nennen und über Inhalte zu kommunizieren, die gesellschaftlich eher verpönt sind?
Wer kann es genießen, den anderen mit Worten so zu verletzen, wie sonst mit Gerte oder Rohrstock? Was ist der Kick daran, das Thema durch den Dreck zu ziehen oder den anderen durch die Wortwahl zu beschmutzen und ihn so verbal zu demütigen? Und wie kontrollierbar ist das - wo Worte doch tiefer gehen können, als manch körperliche Berührung, weil Verstand und Bewusstsein eine viel größere Rolle spielen?
Für manche ist ja "Fernerziehung" per Email oder Telefon eine reizvolle Alternative. Spielt da schmutziges Sprechen eine große Rolle, oder geht es auch sauberer?

Rückschau

11 Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Gesprächskreises SundMehr trafen sich im Mai, um sich über schmutziges Sprechen über Sex auszutauschen. Die erste Runde wurde mit der Frage verbunden, wie wichtig jedem die Sprache in der Erotik ist. Die Vorstellung, dass Männer weniger über Gefühle kommunizieren können und wollen, als Frauen, stellte sich bei dem unabhängig vom Geschlecht ganz unterschiedlichen Aussagen der 5 Frauen und 6 Männer als unpassendes Klischee heraus.
Im ersten Statement meinte eine Teilnehmerin gleich, dass ihr Sprache in der Erotik gar nicht wichtig sei, eher verschlage es ihr die Sprache. Für den Nächsten war Sprache sehr wohl anregend, wenn es sich nicht um albernes Porno-Getue handle. Schlicht "nett" fand die nächste, Sprache und ihr Nebensitzer fand, Sprechen über Sex könne bei ihm ein Kopfkino erzeugen, davor oder danach, dies könne schmutzig, oder reflektierend sein. Für eine Teilnehmerin war das Sprechen, gegenüber der körperlichen Kommunikation eine gleichwertige Ebene, bei der man sich in der Sexualität begegnet. Ihr Partner gab zu, dass er zum Thema Sprechen beim Sex keine Phantasie habe. Die Gefahr sei ihm zu groß, dass es eher lächerlich als erotisch wirke, weshalb er lieber "seinen Schnabel" halte. Dass Sprache wichtig sein, jedoch auch viel kaputt machen könne, differenzierte der Nachfolger. Erotik ganz ohne Sprache könne gut sein, jedoch sei ihm die nonverbale Kommunikation wichtiger, meinte sein Nebensitzer. Mit erotischen Wörtern könnte seine Partnerin aufgeheizt werden, schmutziges Sprechen könne kicken, müsse aber nicht. Einen Unterschied stelle hierbei dar, ob es sich um eine fernmündliche Kommunikation oder schriftliche handle, gegenüber einer Kommunikation im gleichen Raum. Die nächste Teilnehmerin bekannte sich ebenfalls dazu, dass Sprechen beim Sex sie eher draus bringe und dazu führe, dass sie nicht mehr "in sich" sei. Eher die Inhalte und die Haltung, die über Sprache vermittelt wird, fand ihr Partner wichtig, sofern hierbei Authentizität gewährleistet sei - und klar sei, dass die Partnerin auch meine, was sie sage. So könnten erwünschte, oder gar geforderte Tatsachen dem Sub geradezu suggeriert werden: "Du gehörst mir" / "Je mehr es wehtut, desto mehr kannst du mir zeigen, dass du mir gehören willst." / "Dein Schmerz bin ich..."
Dass gerade die nicht-sprachlichen Zwischentöne sehr wichtig sind, wurde dann gleich zu Beginn des Gespräches festgestellt. Bei einem guten Gespräch, wenn jemand ganz bei einem ist, ist eine größere Innigkeit da, als mit Worten hergestellt werden könne. Worte seien auch zu gering, um auszudrücken, was man beim Sex empfinde, pflichtete eine Teilnehmerin bei.
Dass es sich beim Sprechen im SM ja nicht um eine Konversation im üblichen Sinn handle, betonte ein Anwesender dann. Ihm ginge es darum, Anforderungen zu äußern - eben: monodirektional, topdown - wie im Berufsleben bei manchem Vorgesetzten.
Wie stellt sich die Situation dar, bei schon lange bekannten Partnern? Erotische Ansprache könne ihn erst kicken, wenn klar sei, dass der andere auch meine, was er sage. Wenn die No-Gos klar sind, wie auch die unbeliebten, doch vielleicht beim Sub erwünschten Aktionen, kann es für Sub schon schwierig werden, zu wissen, die andere macht, was sie tut, "nur aus Liebe", statt aus eigenem Antrieb.
Wie sieht das Thema der verbalen Demütigung hierbei aus? Ganz wichtig sei hier, dass diese abgeklärt sei, um den anderen nicht real zu verletzen (Das SM-Paradoxon zeigte hier sein hässliches Gesicht [Anm. d. Autors]). Ein Teilnehmer zeigte starkes Interesse, um nachvollziehen zu können, einmal mit jemandem sprechen zu können, der dies als erotischen Kick erleben könne.
Eine Teilnehmerin meinte, sie möge es, wenn ihr vorgehalten würde, sexuell sei sie "die reinste Nymphomanin" - oder wenn Worte wie "Geiles Stück" fallen. Ist es die Verknappung, statt des akademisch-romantischen Vortrages über subjektive Gründe für Wertschätzung und individuelle Zuneigung auf dem Hintergrund der erotischen und persönlichen Vorzüge des anderen, die hier den Kick ausmacht, oder der Normbruch, einmal Unerlaubtes, Verbotenes auch in Worten zu sagen, die man sonst nicht sagen darf und damit zu zeigen, wie grenzenlos frei und ungehemmt man dem anderen begegnen will und wird? Auch als Sub antworte sie auf grobe Ansprache, gab die Teilnehmerin zu, doch die Frage, was den Kick ausmache, blieb ungeklärt.
Dass er Dirty-Talk einmal bei einer virtuellen Fernbeziehung, sich herantastend eingesetzt habe, stellte ein anderer dann dar. Für einige konnte eine im Alltag, bei der Kommunikation über Sexualität und Erotik nicht verwendete Sprache eine erotische Situation unauthentisch machen. Dass eine Sub bei einer Session Antworten gäbe, sodass praktisch ein Dialog entstünde, ohne, dass die Session kippe, war für einen der Anwesenden dann bereits ein kleines Kunststück. Dennoch ist ja die Situation, wenn Sub bereits um Gnade flehe oder "Nein" sage - und Dom "Doch" antwortet - oder demonstriert - weil dies nicht als Kennwort ausgemacht war, sodass die Session weiter ginge, bereits ein kleiner Dialog. Auch das Gegenteil des Einsatzes von Worten wurde an einem Beispiel zitiert, wo die Aktive ihrem Sub mitgeteilt habe, "Aua" sei nun das Kennwort, was diesen dann dazu zwang, um eine möglichst ausgiebige Session zu haben, seine Schmerzen anders zu äußern.
Wenn jemand in eine Rolle gezwungen werden soll, kann Sprache wiederum helfen - auch in der Form, dass ihm verboten wird, selbst Sprache zu verwenden, sich zu äußern: Sofort entsteht eine Situation in der einer nur noch reagieren kann und ein ganzes Stück passiver ist, als zuvor.
Eine Teilnehmerin korrigierte ihr Anfangsstatement gegen Ende dann dahingehend, dass wenn Intelligenz geil mache, ein gutes Gespräch auch anregend sein könne. Das Stichwort der Sapiosexualität - laut Wikipedia das Gefühl, sich vor allem zum Intellekt des anderen angezogen zu fühlen - wurde an dieser Stelle in das Gespräch eingeführt, das sich dann etwas ausweitete, vom Effekt des Nicht-Sprechens bei einer Session, der Deprivation oder der Gefahr von Abstürzen, wie der Konfrontation mit dem Paradoxon, in dem festgestellt wird "Du magst das ja, wenn ich dich quäle", was bei einem Anwesenden bereits zu einem Absturz einer Session geführt hat. Am Ende des Abends waren dann kaum noch Abschluss-Statements feststellbar, wobei ein Anwesender das Gespräch in dieser vergleichsweise kleinen Runde, als sehr gelungen empfand.

Da ein inhaltlicher Zusammenhang zum Thema des Sprechens auch der Abend im Oktober "geplante Scham" entstehen kann, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 24.05.2019
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de