Fröhlich altern mit SM

Keiner mag gern daran denken und dennoch kommt es hoffentlich auf uns alle zu: Das Alter.
Wann man "alt" ist oder sich nur so fühlt, hängt sicherlich von der Perspektive ab - für jüngere Leute ist diese Zeit noch weit weg. Entsteht irgendwann der Eindruck, dass weniger Jahre vor einem, als zurück liegen, hört mancher die Uhr ticken. Das muss kein Grund zum Verdruss sein, schon gar nicht bezüglich der Sexualität, denn dass diese bis ins hohe Alter erhalten bleibt, kann inzwischen als erwiesen gelten. Dass selbst die AOK auf ihrer Homepage zur Unterstützung pflegender Angehöriger einen Abschnitt der "Sexualität in der Pflege" widmet, belegt, dass das Tabu darüber zu sprechen immer kleiner wird - auch bei Sadomasochisten?
Wie stellen wir uns im Alter das Ausleben unserer Neigungen vor? Viele Aspekte, aus der unsere Lüste sich speisen, könnten nicht nur gegenständlich, sondern auch bezüglich der Verhaltensweisen als Fetische betrachtet werden - die dennoch das Gefühl von verschmelzender Lust zum Ziel haben.
Was, wenn die Zipperlein zunehmen, die Arthrose sich bemerkbar macht, es immer mal öfter ins Kreuz fährt oder man auf den Kreislauf aufpassen muss? Sind High-Heels für sie oder ihn, intensive Flag-Sessions oder anstrengende Fixierungen dann noch möglich und wie gehen wir damit um? Oder vergeht die Lust auf Einschränkung, wenn man ohnehin schon eingeschränkt ist? Steigert sich die Relevanz von Sicherheit und welche Möglichkeiten gibt es, diesen zu begegnen? Und wie erklären wir dem Pflegedienst, dass die regelmäßigen blauen Flecken nicht von gehäuften Stürzen herrühren?

Rückschau

Zwölf Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Gesprächskreises SundMehr trafen sich am 30. August 2019, um sich über das Älterwerden mit sadomasochistischen Neigungen auszutauschen. Als Einstiegsfrage wurde um ein Statement gebeten, welche Unterschiede die Anwesenden feststellen, wenn sie vergleichen, wie sie sich vor zehn Jahren erlebt haben und wie heute. Das Ergebnis fiel erstaunlich aus:
Ein Teilnehmer gab an, dass er nun mehr schlafe - was daran liegen mochte, dass er vor Jahren eher zu wenig geschlafen habe. Ein Anwesender fand sich inzwischen eher kurzatmig und sah die Ursache in seinem Rauchen. Dass die Lebensumstände sich allgemein verändert haben, meinte der nächste - er habe noch nie die Fesselung in einem Hog-Tie (bei dem die gefesselten Arme hinter dem Rücken an die gefesselten Beine fixiert werden und ggfs. noch der nach hinten überstreckte Kopf einbezogen wird) genossen, und aufgrund drohender Rückenprobleme traue er sich dies auch aktuell nicht. Auch dass inzwischen bei einer Session sein Kreislauf abzusacken drohe, merke er. Als Selbst- und Fremdbeobachtung bei Partys wurde dies auch von anderen geteilt. Dass seine Beweglichkeit inzwischen nachlasse, meinte ein Anderer, dabei kümmere er sich inzwischen aktiv um seinen Körper und schätzte seine Fitness ansonsten als gut ein. Handwerkliches Arbeiten (beim eigenen Hausbau) bis in die späte Nacht ginge jedoch nicht mehr in dem Ausmaß wie früher. Die Nebensitzerin berichtete, dass sie sich emotional und geistig eher freier fühle, als vor zehn Jahren. Jedoch habe sie inzwischen orthopädische Schwierigkeiten, die ihr, als ehemalige Extremsportlerin, Grenzen setzten, über die sie einfach nicht mehr komme. An den Nachwirkungen eines Konzertes, mit ihren erwachsenen Töchtern, machte die Nächste Auswirkungen des Alterns fest. Sie habe am nächsten Tag einen Tag Urlaub benötigt, weil der Aufenthalt direkt vor Bühne und im Gedrängel bei lauter Musik wirklich anstrengend gewesen sei. Eher positive Auswirkungen beschrieb ein Anwesender, der sich reifer und beweglicher fühlte - mit über 50 Jahren müsse er nicht mehr alles mit machen, seine Töchter seien allmählich mit der Schule fertig und hätten Verständnis dafür, dass der Papa auch mal seinen Spaß brauche. Passend zum Thema hatte ein Anwesender an diesem Abend Geburtstag und gab an, dass er sich auch reifer, erfahrener und gelassener fühle, aber ebenfalls körperlich nicht mehr bis in die Nacht hinein arbeiten könne. Viel ans Alter denken, wollte er nicht. Auch seine Frau fühlte sich beweglicher, zumal sie Yoga mache. Ihre Enkelkinder hielten sie jung. Deutliche Unterschiede im Aussehen stellte die nächste Teilnehmerin fest. Auch kleinere körperliche Beschwerden machten sich immer häufiger bemerkbar und zeigten, dass die Jahre ins Land ziehen. Aufgrund ihrer Wechseljahre kämen auch Gefühle aus der Pubertät zurück. Das letzte Statement eines Anwesenden brauchte zum Ausdruck, dass das Alter am Körpergewicht zu merken sei und beim morgendlichen Joggen das bereits früher seltene "Runners-High" immer seltener, und inzwischen praktisch gar nicht mehr auftrete.
Bei einigen schien spürbar zu sein, dass mit dem Alter das Bewusstsein für den Körper gewachsen war - es wurde etwas für den Körper getan. Doch welche Rolle spielte die Vorstellung der eigenen Sexualität im Alter? Was wenn man einmal in ein Pflegeheim müsste? Zuversichtlich sprach ein Teilnehmer davon, dass die moderne Technologie hier sicher eine positive Rolle spielte. Wenn man früher bei netten Bekanntschaften keine Adressen schriftlich ausgetauscht habe, seien diese einfach weg gewesen oder haben sich nach Jahren "verlebt". Durch die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten, auch über Messenger-Services, blieben diese länger bestehen. Selbst, wenn er später in ein Heim müsse, habe er die Vorstellung, so Kontakte auch außerhalb der Einrichtung pflegen und Leute besuchen zu können. Aktiv bliebe man, stellte eine Teilnehmerin fest, wenn man vorher auch aktiv war. Sie vermutete, dass die geistige, mit der körperlichen Beweglichkeit korreliere.
Ein vierundsechzig Jahre alter Teilnehmer, gab an, dass die Sessions die er - in der passiven Rolle - erlebe, eher heftiger geworden seien. Und auch sonst habe er in den letzten 6 Jahren 13 Kg abgenommen, da er auf ärztliches Anraten hin intensiver Sport treibe. Seine Aktivität wurde medizinisch überwacht. Er äußerte die Ansicht, dass abgesehen von bekannten Risikofaktoren, wie Rauchen und falscher Ernährung, das erreichbare Alter eher ein Zufall sei. Dass die Belastbarkeit, auch bei Sessions, durch sportliche Betätigung zunimmt, war den meisten Anwesenden klar. Dennoch wurden Zweifel geäußert, dass der Mensch alles in der Hand hat; dies könne eine Machbarkeits- und Allmachtsphantasie sein.
Vielleicht als Kompromiss wurde die These geäußert, dass die Akzeptanz der eigenen körperlichen Situation, die Möglichkeit den eigenen Körper zu genießen steigere - selbst wenn Fähigkeiten nachließen.
Die Fähigkeit, bei Veränderungen im eigenen Lebensumfeld über die eigene Prioritätensetzung nachzudenken, spiele ebenfalls eine große Rolle, meinte eine Teilnehmerin. Nicht nur Schicksalsschläge, wie Krankheiten, der Verlust des Arbeitsplatzes oder ein notweniger Umzug - auch ganz normale Entwicklungen, wie das Älterwerden der eigenen Kinder und ihr Auszug von zu Hause, fielen darunter. Falls dies nicht bewältigt würde, bestünde die Gefahr der Verbitterung - aus dem Gefühl, entscheidende Ziele für das Lebensglück nicht erreicht zu haben.
So vernünftig und wahr dies klang, wurde doch eingeworfen, dass das Vorhandensein der eigenen SM-Neigung für Leute, die Selbstzweifel und Irritationen dadurch erlebt hatten und die erst mühsam um ihre Selbstakzeptanz ringen mussten, nun mal nicht verhandelbar oder möglich ist - da sie ja mit Sicherheit in diesen Zeiten sonst verändert worden wäre. Dennoch bleibt die Art, wie Sexualität ausgelebt wird, veränderbar, erklärte eine Anwesende, die von anderen berichtet bekam, dass nach dem Auftreten von "erektiler Dysfunktion" auch in langjährigen Partnerschaften ein anderer Umgang mit Erotik und Sexualität entwickelt wurde, zum Teil auch von den Frauen der Sex als viel schöner erlebt wurde.
An dieser Stelle wurde zitiert, dass das wichtigste Sexualorgan nicht zwischen den Beinen, sondern zwischen den Ohren liege. Im Denken, Fühlen und in der Phantasie spiele sich viel mehr Erotik ab, als bei der Vorstellung, dass sich alles auf den reinen Koitus und die Ejakulation beschränken ließe - die mit der Zuschreibung als "katholisch" als sexualfeindlich gebrandmarkt wurde.
Dass beim Sport ein Rauschzustand auftrete, der mit dem eines Orgasmus vergleichbar sei, meinte eine Teilnehmerin, bekam aber darin Widerspruch, dass das Gefühl wirklich das selbe sei. Hatten die Anwesenden denn Angst, vor dem Verschwinden der Sexualität im Alter? Offen erwähnt wurde diese nicht - statt dessen wurde von einem Beispiel berichtet, wo ein Mann, nach der Behandlung seines Prostatakrebses das Ausleben seiner Sexualität eher ins Geistige verlegt hat - und ganz zufrieden damit war.
Feststellbar war, dass jeder der Anwesenden sich mit dem Thema bereits beschäftigt hat. Als relevant fand einer in seinem Abschlussstatement, dass man nicht nur ein wichtiges Thema im Leben hat, sondern mehrere. Nur bei manchen Teilnehmern waren latenten Bedenken vor einem Verlustgefühl, durch die mangelnde Fähigkeit, ihre Sexualität auszuleben, wahrnehmbar. Wünschenswert wäre es, wenn man eine gleichwertige Vorliebe zur Hand habe, wenn das Ausleben einer anderen nicht mehr geht. Erstaunlich konkret berichteten einige von der Vorstellung oder gar bereits konkreten Suche nach einer "Sex-Positven" Wohngemeinschaft. Dass bisher auch hierüber schon, teils ironisch und witzelnd, aber noch nie konkret gesprochen worden war, zeigte eine Diskrepanz, zwischen Ideen, für die Gestaltung des eigenen Alters, und alltagstauglichen Denkanstößen. Und da immer wieder auch über aktive Sterbehilfe diskutiert wird, spukte bei manchem Sadomasochisten auch der Gedanke an eine finale Session durch den Kopf. Ungeklärt und sehr bedenklich dabei blieb die Frage, wie es dem oder der jeweiligen Aktiven dabei gehen würde.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 30.08.2019
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, bis zum nächsten Kreisverkehr. In diesem rechts (erste Ausfahrt) Richtung "Alte Kelter, Sportanlagen, Kleingartenanlagen" in die Kelterstraße. Dieser ca. 650 m folgen, bis zum Sportplatz.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de