Unser Leben und seine Qualität ist unter anderem ganz wesentlich von Scham und Würde geprägt. Da fällt es auf, dass in manchen SM-Szenarien auch die Vorführung / das vorgeführt und beschämt werden, und die dadurch ausgelöste Demütigung, der scheinbare Verlust eines Teils oder der ganzen Würde, als besonders prickelnd empfunden wird.
Scham ist, wie Schmerz, ein sehr bekanntes und höchst unangenehmes, Gefühl, die aber noch dazu verdrängt, verleugnet oder gar abgespalten wird. Von jeder Person in jedem Altersabschnitt wird sie anders erlebt. Tagesverfassung, gesellschaftlicher Rahmen, Kultur, Lebenserfahrung, Selbstkonzept etc. sind dafür verantwortlich wie Scham erlebt wird. Ob sich ein Mensch schämt, ist für andere nicht immer offensichtlich, da Scham mit Rückzug und Sich-Verbergen zu tun hat. Was steckt hinter den ganzen Zuschreibungen die gesellschaftlich eher negativ behaftet sind?
Welche Qualitäten der Scham nutzen Leute, die sie in eine SM-Session einbauen (lassen wollen)? Gibt es unter uns Erfahrungen damit? Ist Scham planbar? Und was passiert, wenn geplant die durch Scham erzeugten Bedürfnisse nach Rückzug und Sich-Verbergen verunmöglicht werden? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit daraus kein Absturz oder eine traumatische Erfahrung werden sollen?
An diesem Abend soll der Fokus darauf liegen was die Scham im BDSM Kontext ermöglichen und verhindern kann. Mit einem Impuls möchte Jürgen (Danke für das Thema!) alle einladen die Scham besprechbar zu machen, zu differenzieren und ihrem Wesen näher zu kommen. Im anschließenden Austausch darf gerne, frei von Scham und wild diskutiert werden.
18 Besucher des Gesprächskreises SundMehr trafen sich am 25. Oktober um sich über "geplante Scham" auszutauschen. Die Einstiegsrunde wurde mit der Frage verbunden,
wer im Rahmen eines BDSM-Moments schon mal Scham erlebt hat.
Weil seine weiblichen Anteile, in seiner Sozialisation unterdrückt worden waren, erklärte ein Teilnehmer, sei es für ihn ein besonderes Gefühl gewesen, im Verlauf
einer Party unverhofft auf potentielle Cross-Dressing-Sehnsüchte angesprochen worden zu sein. Andere Elemente von Scham hatte er beim Vorgeführt werden, beim Ausklang
des Stuttgarter CSDs erlebt und genossen. Spielerische Momente kannte ein Anwesender, dem im Rahmen einer Session mit Verbundenen Augen angedroht worden war, dass
nun Fotos von ihm gemacht würden, um sie später ins Internet hoch zu laden. Eine Teilnehmerin kannte Schamgefühle aus dem Spiel mit einem Dom, bei dem ihr aufgetragen
wurde, sich zuvor zu rasieren und später, im Rahmen der Session, mangelnde Perfektion gerügt wurde. Ein Teilnehmer zitiert: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich
ganz ungeniert, und eröffnet damit wie er sich mit seiner Partnerin im Wald für eine BDSM Session getroffen hat und sie dabei gesehen wurden. Dass Nacktheit in seiner
Kindheit von seinen Eltern unerwünscht war und dadurch Schamgefühle anerzogen worden waren, wusste ein anderer Anwesender - freute sich jedoch darüber, dass diese von
ihm überwunden worden waren. Im sei es nun egal, wie Leute ihn wahrnehmen würden, er sei aus der Scham herausgewachsen. Auf die Bemerkung seiner Nebensitzerin, daß er
vergessen habe sienen Reißverschluß der Hose zu schließen, wurde er sonderbarerweise doch kurz rot im Gesicht und hat ihn schnell geschlossen.
Auf einer BDSM-Party, hatte sich ein Anwesender beschämt gefühlt, als einziger nackt zu sein, während alle anderen angezogen waren - ein ambivalentes Gefühl war in ihm
hochgestiegen, bei dem er sich nicht richtig wohl in seiner Rolle fühlte und dennoch erotisch angesprochen war. Die Situation, beim CSD vorgeführt worden zu sein,
kannte auch ein anderer Anwesender - allerdings ohne Scham: "da sind ja ohnehin nur komische Leute unterwegs!"
Ein auf aktiver Seite spielender Teilnehmer erinnerte sich nicht, sich jemals geschämt zu haben, für etwas, was er im Rahmen einer BDSM-Aktion getan hatte. Allerdings
seien Schamgefühle für ihn die Klaviatur, auf der er gerne spiele - jedoch stets, ohne die Würde seines Gegenübers real zu beschädigen. Entsprechend bestätigte seine
Partnerin, dass sie Erfahrungen damit habe, wobei dieser Aspekt nicht zu ihren Vorlieben gehörte. Ein anderer, eher aktiver Sadomasochist, kannte die Erfahrung, dass
sein Spiel mit der Scham anderer praktisch dann weit weniger geil war, als er es sich in seiner Phantasie ausgemalt hatte. Grundsätzlich war das Thema für ihn dennoch
ebenfalls eine interessante Klaviatur - auch seine Partnerin meinte, es gehöre nicht zu ihren Vorlieben. Eine interessante Fragestellung folgte dazu: "Wie kann ich
die Scham nicht Herr über mich werden lassen?
Als "Schisser" empfand sich dagegen ein anderer Teilnehmer, da er das Gefühl kennt, sich zu überlegen, was andere davon denken könnten, was er möchte und behält es
dann lieber für sich. Die Tatsache, sich im Gesprächskreis - auch in Form der Vorstellungsrunde - zu einem Beitrag aufgefordert zu fühlen, fand eine Anwesende an
sich beschämend, wobei die Runde ihr zusicherte, dass niemand sich daran stören würde, wenn sie nur zuhöre. Eine Anwesende sprach von Missgeschicken und peinlichen
Momenten im Alltag, die ihr gerne unterlaufen würden, auch im Rahmen von SM, wobei sie Schamgefühle kenne, ansonsten seien diese ihr eher fremd. Auch eine andere
Anwesende sprach davon, dass sie Unsicherheit kenne, als Aktive, aber nicht im Sinne von Scham. Das Statement eines weiteren Teilnehmers bestand aus der Feststellung,
dass er auch Schmerzen nicht liebe, wie auch Hilflosigkeit, Abhängigkeit und Scham - jedoch im Kontext der Interaktion einer BDSM-Session jeden dieser Aspekte genießen
könne. Abschließend wurde noch die Erfahrung des "Fremdschämens" geteilt, bei der Beobachtung auf einer Party, was andere da miteinander machten.
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Datum: | 25.10.2019 |
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Uhrzeit | 20:00 Uhr |
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Anfahrt über B 14/B29: Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS |
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