Integrations in das eigene Leben?

Bei einigen der letzten Abende, waren auch neue Teilnehmer, noch ohne praktische Erfahrungen anwesend. Während sich manche ihre ersten Erfahrungen im Professionellen Bereich oder in Spielbeziehungen suchen, ist unklar, ob dies anderen nicht möglich oder für sie nicht notwendig ist. Mancher stillt seine SMigen Sehnsüchte allein durch den Konsum entsprechender Medien, in Schrift und Bild - und dank den Weiten des Internets, auch durch die Möglichkeit der unverbindlichen, vielleicht sogar anonymen Kommunikation in den verschiedenen Foren und Portalen.
Ist dies schon eine zufriedenstellende Integration der eigenen erotischen Sehnsüchte, im Gegensatz zur Verdrängung? Definiere ich mich, neben verschiedenen anderen Eigenschaften, als SMer und bin ich damit zufrieden? Oder braucht es den irgendwie gearteten realen Kontakt, mit anderen Sadomasochisten, die Identifikation mit "Der Szene" und das reale Ausleben.
Betrachtet man die sinkenden Teilnehmerzahlen der letzten Treffen des Gesprächskreises, stellt sich die Frage, ob der Gesprächskreis dazu ein hilfreicher Beitrag ist. Oder stellen diese nur das gesellschaftliche "Long-Covid-Syndrom" nach den Lockdowns und Kontakteinschränkungen dar, auf dem Hintergrund einer Weltpolitisch noch katastrophaleren Entwicklung, die mit dem Ukraine-Krieg mitten in die Besorgnisse der abklingenden Pandemie krachte?

Sollten erfreulicherweise mehr als 10 Personen kommen, wechseln wir vom kostenfreien Nebenraum in der Gastwirtschaft, in den etwas größeren (mit Zugang über den Hintereingang) legen dann aber die Raummiete gemeinsam zusammen (pro Nase, ca. 4,50,- Euro)

Wer vor allem etwas essen will, sollte nach Möglichkeit eine Stunde früher erscheinen, damit gehäufte Bestellungen den Gesprächsverlauf nicht zu sehr beeinträchtigen.

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Rückschau

9 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich am letzten Freitag im September im Gesprächskreis, um sich darüber auszutauschen, was für sie die Integration ihrer Sexualität ins eigene Leben bedeutet.
Etwas komplizierter als sonst gestaltete sich die zum Thema hinführende Frage in der Vorstellungsrunde, denn ausnahmsweise sollte nicht von sich selbst berichtet werden, sondern was ein Radio-Reporter über seine Straßenumfrage berichten würde, bei der 10 Passanten gefragt wurden, was für sie die Integration von Sexualität ins eigene Leben bedeutet.
Irritiert wären diese, meinte der erste Teilnehmer, nach seiner Vorstellung, denn die wenigsten hätten sich damit auseinandergesetzt, sofern Sie vielleicht nicht gerade Teil der LSBTIIQ-Community wären. Der nächste, zum ersten Mal anwesende Teilnehmer, berichtete geradewegs von sich: er fände die Integration seiner Neigungen schwierig; lebe er diese nicht in seiner Ehe aus, sondern mit einer Bekannten. Trennung käme für ihn nicht aber in Betracht, zumal er seine Frau dennoch liebe und erst recht seine beiden Kinder. Die nächste Teilnehmerin berichtete ähnliches. Bei der Straßenumfrage würden die Leute wohl antworten, Zeit und Entspannung seien die wesentlichsten Zutaten, für die Integration von Sexualität ins eigene Leben. Doch bei ihr wäre es zu Hause lange Jahr ein offenes Tauziehen gewesen. Ihr Ehemann könne einfach das nicht rüberbringen, wonach sie sich bezüglich SM sehne. Er wisse auch, dass sie ihre Neigungen außerhäusig auslebe.
Die nächste Teilnehmerin vermutete, dass die Frage gar nicht verstanden würde, von Passanten. Eine Sexualität habe ja jeder, Integration gehöre dazu, mehr könne man dazu nicht sagen. Ähnlich äußerte sich der nächste Anwesende: Die wenigsten Leute machten sich dazu konkrete Gedanken, dass man Sexualität in sein Leben integrieren könne. Auch die nächste, neue Besucherin des Gesprächskreises, fand es schwierig, die Frage zu beantworten; lebe sie doch aktuell in ihrem Trennungsjahr und fühle gar keine Lust, habe allerdings Sehnsucht danach, einmal wieder Sehnsucht nach Erotik zu verspüren. Bezüglich SM hatte sie keine Erfahrungen, nur diffuses, allgemeines Interesse und wollte sich diesbezüglich kundig machen - mal reinschnuppern und war von einem sporadischen Teilnehmer mitgebracht worden.
Die nächste Anwesende vermutete, dass insbesondere die Jugendlichen sich heutzutage durchaus Gedanken machten, was sie wollten oder nicht - unter welches der vielen diskutierten Labels, von Asexualität, bis zu Demi- oder Grey-Sexualität sie sich repräsentiert fühlten oder ob es nur um Gender- oder auch um Sex ginge. Sie stellten sie sich häufiger die Frage: "Was will ich überhaupt?"
Die zwischenzeitlich zuletzt hinzu gekommene Teilnehmerin wusste zur Frage nichts zu sagen und so wurde bei der Anmoderation erläutert, wie es zu der Frage kam: Auffällig sei doch, dass vermutlich die wenigsten Leute sich darüber Gedanken machten - sofern Sie keinen Anlass darin fänden, sich irgendwie "anders" zu fühlen. Zudem erinnerte sich der moderierende Teilnehmer daran, dass in seiner Kindheit rothaarige Kinder oft gehänselt wurden und damit zu kämpfen hatten - und jemand ergänzte, dass sie noch weit früher verbrannt worden seien. Fraglich wäre doch, warum die Frage, wie man die Tatsache der Rothaarigkeit ins eigene Leben integriert, kaum ein Thema ist. Absurd wäre es, hier zu fragen: warum bin ich so? wie gehe ich damit um? Ist also die schon die Frage nach "Integration von SM ins eigene Leben" ein Indiz von fehlender Selbstakzeptanz oder gar von Selbst-Stigmatisierung? Sind SMer allgemein Psychos oder liegt es in der Natur der Sache, dass es Schwierig ist, SM ins eigene Leben zu integrieren?
In der folgenden Diskussion befand ein Teilnehmer, dass bei unseren Großeltern die Frage gar nicht aufgekommen wäre. Das wäre gar nicht gefragt oder gewollt gewesen. Sexualität fand einfach statt. [Anm. d. Autors wäre der Hinweis, dass früher vielleicht auch der Anspruch nach Selbstverwirklichung in der Sexualität geringer war]. Während sich für entsprechende Fragen die nachfolgenden Generationen mehr und mehr öffneten, fuhr der Teilnehmer fort, scheint sich dies in der Gegenwart wieder zu verengen, was das Ausleben der Sexualität in der Zukunft auch erschweren könnte. Seine Erfahrung war es, dass sich manches in seiner Beziehung nicht durchführen lässt. So würde seine Frau zwar ab und an gar von "Shades of Grey" schwärmen, doch versuche er etwas in die Richtung, wäre es ihr schnell zu viel. Sie könne nicht ahnen, was sich für ihn hinter SM verberge - ergänzend fasst dies ein anderer Anwesender zusammen, dass sie offenbar von ihrem Kopfkino eingeholt würde. Ein Phänomen da auch andere Anwesende gut kannten. Seine anwesende Spielpartnerin berichtete, dass sie seit ihrem 16. Lebensjahr herausbekommen wollte, wie sie in dieser Hinsicht ticke. Versuche, SM mit ihrem Mann auszuprobieren, hätten einfach nicht gepasst. Es sei "zu technisch" gewesen - eine Erfahrung, die später auch ein anderer Anwesender von sich berichtete. Sie fand es auch schmerzlich, dass die tiefen Gefühle, die sie beim Ausleben von SM erlebe, nicht in der Ehe, wo sie ihrer Meinung nach eigentlich hingehörten, Platz hätten und vermute, dass sie beide Ehepartner hinsichtlich SM devot seien.
Einen ganz anderen Aspekt der Integration von SM ins eigene Leben sprach ein anderer Anwesender an. Wenn er von ganz manchenAspekten - zum Beispiel von einem Getränk, das er auf einer SM-Party kennen gelernt hatte - in ganz anderem Setting - vielleicht unter Kollegen - berichtete, würde er sich zurückhalten, oder andere Bezüge erfinden. Hier ging es schon um die Erwähnung seiner SM-Neigung an sich, die ihn zur Vorsicht brachte. Ein kurzer Exkurs über das Thema "Coming-Out" ergab sich daraus, denn der moderierende Teilnehmer konnte z.B. die Tatsache, dass er heute einen Termin habe, weil er den SM-Gesprächskreis moderiere, ganz offen unter Kollegen usw... kommunizieren. Auch dies ein Thema der vielen Schichten, der Integration von SM in das eigene Leben. Auffällig sei allerdings, dass es ja auch hier, im Gesprächskreis eine Intim-Grenze gäbe. Denn je nach Vertrautheit mit den umgebenden Personen, berichtet kaum jemand konkrete, intime Details was bei einer Session stattfindet. Im Grund bleibt das Gespräch auch im Gesprächskreis in der Regel auf einer Meta-Ebene, wobei der Rahmen insofern geschützt ist, dass eher Verständnis und Offenheit voraus gesetzt werden kann, für die spezifischen Probleme, die sich beim Versuch, SM in das Leben zu integrieren, ergeben. Tatsächlich kann Integration mit dem Überwinden, der Scham, zu seinen SM-Neigungen zu stehen, beginnen - wobei dies nicht bedeutet, jedem Intimitäten auf die Nase zu binden, egal ob es ihn interessiert, oder nicht.
Fraglich ist es auch, ob mit außerhäusigen Spielpartnern manche Gedanken, Träume und Wünsche sich eher verwirklichen lassen, als in einer Beziehung. Wenn Themen nur ausgelagert werden, oder die Tatsache des Auslagerns zudem verschwiegen wird, was zu einem klassischen Doppelleben führt, kann dies zu einem Gefühl, der Zerrissenheit führen - und letztlich in der Beziehung nicht angekommen zu sein. Versucht man dies zu vermeiden, in dem man den Anspruch auf Bedürfnisse, auf die man nicht verzichten kann, zu behaupten, kann dies allerdings zu ebensolcher Zerrissenheit führen; denn geht die Ehe daran zu Grunde, kann der Preis eine ähnliche Zerrissenheit in der Rolle als Familienvater sein.
Interessant waren an dieser Stelle auch die Erfahrungen des sporadischen Teilnehmers, der sich nicht allein auf SM konzentrierte, wenn ihm auch seine entsprechenden Bedürfnisse wichtig waren. Hatte er sich einige Jahre als polyamor bezeichnet, lebe er seit einem Jahr in einer exklusiven, monogamen Beziehung, in der SM auch gar keinen Platz habe. Für ihn sei es eine Herzenssache, die er von SM nicht abhängig machen wollte. Es ginge ihm um Liebe. Integration von SM sei da gar kein Thema für ihn, dennoch hätte er da einige Freiheiten. Für ihn entsteht durch SM keine besondere Nähe, die auf anderen Wegen in seiner Partnerschaft nicht erreichen könne, darum fehle dies nicht.
Schränken sich also Sadomasochisten, die ihre Neigungen schon frühzeitig erkannt haben, durch die jahrelange Beschäftigung mit dem Thema, durch das Ausfeilen und das immer bessere Definieren, was sie eigentlich wollen, nicht selber ein, weil sie dadurch immer genauer wissen, was sie wollen und die Flexibilität abnimmt? Ist es besser, nicht schon gefunden zu haben, was man will, sondern sich immer wieder offen auf die Suche zu begeben? Die Teilnehmerin, die sich noch im Trennungsjahr befand, konnte hier beisteuern, dass SM für sie nur immer mal wieder aufgeploppt ist. Sie fragte sich selbst, was für Formen der Sexualität es noch geben könnte, die sie reizvoll fände.
Einige berichteten davon, dass sie noch gar kein Wort für das hatten, was sie da anmachte, als die ersten Aspekte von SM in ihrer Lust aufgetaucht waren. Ein Anwesender berichtete, dass er erst mit fünfzehn Jahren im Lexikon die Definitionen von Sadismus und Masochismus gefunden hatte. Sehr ähnlich ging es einem anderen, der seinen lexikalischen Zufallsfund etwa in sein zwölftes Lebensjahr datierte - sich allerdings fortan durch die Definition von Masochismus selbst stigmatisiert fühlte, obwohl niemand in seiner Umwelt von seinen Sehnsüchten wusste. Seine unglückliche Vorstellung als Jugendlicher, wie seine Sexualität später aussehen würde, war geprägt davon, dass er einmal ein Doppelleben führen würde, an dem seine Ehe zerbrechen würde sodass daran sein bürgerliches Familienleben scheiterte - um dies zu vermeiden, hatte er versucht, seine Bedürfnisse in seine Ehe zu integrieren, was dazu führte, dass diese zerbrach und sein bürgerliches Familienleben scheiterte...
Die Frage war, wie es der Partnerin oder dem Partner geht, wenn ihm Teile der Nähe verloren gingen oder vorenthalten würden, die nur beim gemeinsamen Ausleben sexueller Sehnsüchte entstehen. Der Anspruch, dass die eigenen Bedürfnisse gleichberechtigt neben denen der Partnerin oder des Partners stehen und ausgelebt werden wollen, ist legitim. Allerdings kann die Frage, der Integration zu hoch gehängt werden, wenn diese nur als gelungen betrachtet wird, wenn sie den eigenen Vorstellungen entspricht. Bestandteil vieler Beziehungen ist, dass auf etwas verzichtet werden und eine Spannung ausgehalten werden muss - und Träume nicht perfekt in Erfüllung gehen.
Letztlich geht es auch um Offenheit für den Partner: Wenn Sexualität gelingen soll, hängt es auch von diesem und der Beziehungsfähigkeit beider Beteiligten ab, wozu auch gehört, Spannungen, weil eigene Bedürfnisse nicht vollständig zur Geltung kommen, zu ertragen. Die Frage ist nicht nur: Was möchte ich erleben oder fühlen - sondern: welche Nähe wollen wir gemeinsam erleben?


Veranstaltungsdaten:

Datum: 30.09.2022
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, bis zum nächsten Kreisverkehr. In diesem rechts (erste Ausfahrt) Richtung "Alte Kelter, Sportanlagen, Kleingartenanlagen" in die Kelterstraße. Dieser ca. 650 m folgen, bis zum Sportplatz.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

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